Der Minister soll den Konflikt austragen: Peter Pirker.

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Vor dem Heldendenkmal stehen Staatsrepräsentanten, hoher Besuch und unzählige durchgeschleuste Bürger.

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Der Weiheraum im nahen Burgtor wird kaum beachtet.

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Verteidigungsminister Norbert Darabos hat seine Unterstützung für die Errichtung eines Denkmals für die Deserteure der Wehrmacht erklärt. Damit hebt er sich von seinen Vorgängern positiv ab.

Allerdings ist seine Ablehnung eines möglichen Standortes am Heldenplatz zu hinterfragen. Denn gerade am Heldenplatz und insbesondere am "Österreichischen Heldendenkmal" im Äußeren Burgtor veranstaltet das Bundesheer Jahr für Jahr am 26. Oktober ein Gedenkritual, das soldatische Pflichterfüllung über alles setzt. Am selben Ort begehen genau jene Burschenschafter, die vor einigen Tagen in der Hofburg getanzt haben, alljährlich am 8. Mai ihr ehrendes Gedenken für die "Helden" der Wehrmacht.

Doch gerade die individuelle Entscheidung, Hitlers Armee den Gehorsam aufzukündigen und etwas Besseres als den nationalen Heldentod zu finden, macht die Figur des Deserteurs eminent erinnerungswürdig.

Vielleicht sollte man sich bei der Gelegenheit einmal fragen, warum die deutschnationalen Verbindungen gerade vor der Krypta im rechten Burgtor aufmarschieren und wo denn der Unterschied ist, wenn das Bundesheer am 26. Oktober zehntausende Österreicher systematisch durch das "Heldendenkmal" der Krypta schleust. In der Krypta wird unterschieds- und kommentarlos aller gefallenen und ums Leben gekommenen Soldaten des Ersten Weltkrieges, des Ersten Bundesheeres, der Wehrmacht und des Bundesheeres der Zweiten Republik gedacht.

Im Zentrum des Raumes liegt vor einem riesigen Christus-Kreuz eine übermenschlich dimensionierte Soldatengestalt, angefertigt in den 1930er Jahren vom Nazi-Bildhauer Wilhelm Frass. Österreichische Wehrmachts- und SS-Soldaten sind namentlich in Gedenkbüchern, die in Glasvitrinen liegen, aufgelistet. Die Seiten werden täglich umgeschlagen, sodass jeder Name regelmäßig zu lesen ist. Über dem Eingangsportal der Krypta thront der Schriftzug: "In Erfüllung ihres Auftrages ließen sie ihr Leben". Wer in die Krypta hineintritt, liest dies als Leitmotiv soldatischen Sterbens schlechthin, egal für welches politische Regime. Auftrag der Wehrmachtssoldaten, kurz gefasst: Errichtung eines rassistischen Nazi-Reichs in ganz Europa, Assistenzleistung beim Judenmord.

Das steht in der Krypta natürlich nirgends geschrieben. Die bereits von Austrofaschismus und NS-Regime geprägte Anbetungshalle unbedingten soldatischen Gehorsams hat das Bundesheer ab 1955 auch als den geeigneten Platz angesehen, um der im Dienst verunglückten oder umgekommenen Soldaten zu gedenken. Hier fanden Innenministerium, Polizei und Gendarmerie den geeigneten Ort, ein Gedenkbuch für die im Dienst getöteten Soldaten aufzulegen. Hier werden Staatsrituale bei Besuchen ausländischer Delegationen abgewickelt. Und hier sehen auch deutschnationale Burschenschafter den richtigen Ort, um am 8. Mai die Niederlage NS-Deutschlands zu betrauern.

Freilich wird am 26. Oktober von staatsoffizieller Seite etwas anders formuliert. Als ich vor Ort einmal einen "Aufseher" auf die Diskrepanz ansprach, dass die Armee des neutralen und demokratischen Staates Österreich hier die Pflichterfüllung und den "Heldentod" von Soldaten der Nazi-Armee ehrt, bekam ich zur Antwort, die Wehrmachtssoldaten seien für Österreich gefallen.

Wer es nicht glaubt, kann diese postnazistische Umdeutung auch in der 2011 neu aufgelegten Bundesheer-Broschüre "Das Österreichische Heldendenkmal", herausgegeben von der Katholischen Militärseelsorge, nachlesen. Um jedem Soldatentod Sinn zu geben, steht dort auch, sie alle seien für die "Heimat" gefallen.

Über diese Indifferenz können sich Rechtsextreme und Deutschnationale freuen. Die Krypta ist so das ideelle Gesamtheldendenkmal Österreichs, an dem die Spitze der Republik, das Bundesheer, die Kameradschaftsverbände, die deutschnationalen Burschenschafter bis hin zu Neonazis sich gleichermaßen aufgehoben fühlen.

Der Weiheraum bleibt leer

Hat sich die Zweite Republik keinen Ort gegeben, wo der Befreiung und der gefallenen und ermordeten Widerstandskämpfer gedacht wird? Doch, es gibt diesen Ort: Es ist der "Weiheraum für die Opfer im Kampfe um die Freiheit Österreichs" im linken Flügel des Burgtors. Er wurde allerdings erst 1965 eingerichtet und fristet seither im Vergleich zur Krypta ein Schattendasein.

Vom Standpunkt einer demokratischen Republik aus wäre der Weiheraum wohl der richtige Ort, an dem Institutionen der Zweiten Republik wie das Bundesheer und die Polizei jener Soldaten und Beamten gedenken sollten, die in Ausübung ihres Dienstes auf Basis der demokratischen Verfassung ums Leben gekommen sind.

Aber die Realität ist eine andere: Am 26. Oktober ist der Raum für Besucher nicht einmal zugänglich. Er ist mit einem brusthohen Gitter abgesperrt. Während das Bundesheer tausende Menschen in die Krypta lotst, bleibt der Weiheraum leer.

Falsches Signal vermeiden

Auf die Frage, warum der Weiheraum nicht zugänglich sei, wurde mir einmal gesagt, hier gebe es nichts zu sehen. Namen von Freiheitskämpfern sind im Weiheraum tatsächlich keine zu lesen. Allerdings hängen dort die Gründungsdokumente der Zweiten Republik.

Der Raum wirkt insgesamt wie eine verschämte Pflichtübung. Die Verfasser der oben zitierten Broschüre können sich gerade noch dazu durchringen, die Freiheitskämpfer mit den gehorsamen Soldaten gleichzusetzen. Ja, auch sie hätten ihr Leben für Österreich hingegeben. Es klingt fast wie ein Zugeständnis an jene, die eigentlich "Eidbrecher" waren.

Auch im Narrativ des österreichischen Freiheitskampfes hatten Wehrmachtsdeserteure jahrzehntelang keinen Platz. Da sich ihre weit gefächerten und vielfach persönlich-individuellen Motive nicht generalisieren und politisch-national instrumentalisieren ließen, standen sie weiterhin unter dem Verdacht des Defätismus.

Bundesminister Darabos hat positive vergangenheitspolitische Akzente gesetzt, aber die Traditionspflege des Bundesheeres am Heldenplatz, dem Ort der historischen Kapitulation vor den Nazis, steht nach wie vor im Kontext obrigkeitsstaatlichen Militarismus und einer Haltung, die sich von der Wehrmacht nicht recht absetzen kann. Die kategorische Zurückweisung des Heldenplatzes als Ort für ein Deserteursdenkmal will den Konflikt mit dieser Tradition vermeiden. Nach der politischen und rechtlichen Rehabilitierung der Wehrmachtsdeserteure sollte nun offen über Änderungen der Gedächtnispolitik diskutiert werden - den Heldenplatz als Ort auszuschließen ist das falsche Signal. (Peter Pirker, DER STANDARD, Printausgabe, 4.2.2012)