Bei mehr als minus zehn Grad sollten Baustellen still stehen. Das Gesetz lässt viel Spielraum.

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Eisige Temperaturen sorgen in der Baubranche für frostiges Klima. Warum Thermen kaum vom Gästeandrang profitieren, woran Autofahrerklubs am meisten verdienen und wieso den Einzelhandel das alles kalt lässt

Wien – "Die Bauarbeiter sitzen bei Minusgraden auf dem kürzeren Ast", seufzt Josef Muchitsch. Baumaterial werde bei eisigen Temperaturen Frostschutzmittel beigemengt, damit es keinen Schaden erleide. "Aber was ist mit den Menschen? Die sind manchen Betrieben völlig wurscht." Muchitsch, einst selber Maurer, ist neuer Chef der Gewerkschaft Bau-Holz. Etliche Beschwerden trudelten ein, erzählt er – von Leuten, die sich trotz Kältewelle zur Arbeit gezwungen sehen. "Oft auf Anweisung von Baustellenleitern, die selber im warmen Container sitzen." Wer sich weigert, riskiere seine Kündigung. "Rechtlich gesehen hat man keine Chance. Einige Klagen schon wurden deswegen verloren."

Kein Arbeitgeber schicke seine Leute jetzt mutwillig auf die Baustellen, beruhigt Manfred Katzenschlager, Geschäftsführer des Verbands der Bauindustrie. Zu hoch seien die Kosten für die Beheizung von Material wie Einhausung und zu groß die Fehlerquellen. Als zu widrig für den Bau gelten Temperaturen von minus zehn Grad bei gleichzeitig 6,5 Stundenkilometer Windgeschwindigkeit. Ein Fonds ersetzt Arbeitern bei Baustopp 60 Prozent ihres entgangenen Lohns. Die Entscheidung, wann der Job unzumutbar und einzustellen ist, obliegt jedoch dem Bauherrn, sagt Muchitsch. Er pocht auf gesetzliche Regeln, um schwarze Schafe hintanzuhalten. In der Bauinnung ist man nun gesprächsbereit – und verspricht eine tragbare Lösung.

Weh tun sollten einige baufreie Tage der Branche heuer nicht. Zumal der fehlende Schnee im Osten bisher für emsigen Winterbetrieb sorgte: Die Zahl der Arbeitslosen am Bau lag im Jänner um zwei Prozent unter dem Vorjahresniveau.

Hochsaison bereiten die eisigen Temperaturen hingegen den Autofahrerklubs. Der ÖAMTC absolviert derzeit mit doppelter Mannschaft die dreifache Menge an Einsätzen, rechnet Pannenhilfe-Chef Gerhard Samek vor. Bis Montag werde sich an den 1600 Fahrten täglich wenig ändern. Den Klubs bringt das zusätzliche Mitglieder und gute Geschäfte mit Autobatterien. Letztere sind ihr Hauptdeckungsbeitrag, was andere Schwächen, wie den Absatz von Schneeketten, ausbügelt. Dieser läuft bisher nämlich eher unrund.

Wer sich in den Semesterferien in den schneereichen Westen aufmacht, sollte sich zumindest selber warm einpacken. Die Arlberger Bergbahnen erwarten auf den Bergen für den Samstag aufgrund des starken Windes gefühlte 35 bis 40 Minusgrade. Stornierungen gebe es deswegen noch keine, weiß Eva Steinlechner, Sprecherin der Bergbahnen. So manchem Tagesgast könnte aber doch die Lust am Skifahren vergehen.

Für die Lifte sei die eisige Witterung keine Belastung, stellt Erik Wolf, Chef des Verbands der Seilbahnwirtschaft, klar. Sie seien darauf eingestellt. Für die Beschneiung sei eine Temperatur ab minus fünf Grad abwärts optimal.

Österreichs Einzelhandel lässt die frostige Witterung weitgehend kalt. Viel zu lange war es ihm zu warm. Wodurch vor allem Textil- und Sporthändler auf ihrer Ware sitzen blieben. Nun gebe es da und dort ein paar Nachziehkäufe, sagt René Tritscher, Geschäftsführer der Bundessparte. Unterm Strich halte sich der Einfluss der paar eisigen Tage aber in Grenzen.

Gewinnen und verlieren

Die Hände reiben können sich die Energieversorger. Allein in Wien ist der Gasverbrauch bei der Wien Energie um 27 Prozent im Vergleich zu einem durchschnittlichen Wintertag explodiert. EVN in Niederösterreich registriert ein Plus von 20 Prozent. Sinken Temperaturen von null auf minus fünf Grad, steigt der Heizbedarf um 25 Prozent, erklärt ein Konzernsprecher. Wobei das Ganze auch seine Kehrseiten hat. Das Anwerfen zusätzlicher Gasturbinen kostet die Energieerzeuger einiges an Geld.

Kurt Kaufmann ist auf die Branche nicht gut zu sprechen: Hohe Energiekosten seien es, die Thermen, Bädern und Kurbetrieben ih- re gute Besucherbilanz bei klirrender Kälte verwässere. Seit ihnen vor einem Jahr die Energierückvergütung gestrichen wurde, gehe das alles noch weit mehr ins Geld.

Der Verbandschef der Freizeit- und Gesundheitsbetriebe sieht für manche Therme seither Mehrkosten von bis 100.000 Euro im Jahr. Selbst ein Gästeansturm sorge daher nur für ein Nullsummenspiel. Klare Profiteure blieben aber die Kinos. Was sonst sollten Jugendliche bei diesen Minusgraden machen. Eislaufen sei eher ein Minderheitenprogramm. (Verena Kainrath, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 4./5.2.2012)