Bild nicht mehr verfügbar.

Donnerstag Abend kam es in Kairo zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei.

Foto: AP/Hamra

Bild nicht mehr verfügbar.

Im Fußballstadion von Kairo legten Fans Feuer, nachdem das dortige Match wegen der Ereignisse in Port Said abgebrochen worden war.

Foto: APA/EPA/Khaled

Bild nicht mehr verfügbar.

Ein Fan bei der Leiche seines Bruders in einer Moschee in Port Said.

Foto: Reuters / Abd el-Ghany

Nach den blutigsten Krawallen in der ägyptischen Fußballgeschichte mit mindestens 71 Toten und 1000 Verletzten richten sich die Schuldzuweisungen vor allem gegen die Polizei und den regierenden Militärrat.

*****

Das ägyptische Parlament trat am Donnerstag in Kairo wegen des "Massakers" zu einer Krisensitzung zusammen. Der herrschende Militärrat verhängte drei Tage nationale Trauer. In einem ungewöhnlichen Schritt kündigte der Chef des Militärrates, Mohamed Hussein Tantawi, im Fernsehen an, die Schuldigen für das Desaster aufzuspüren. Ministerpräsident Kamal al-Gansuri gab in der Sitzung bekannt, dass er die Führung des ägyptischen Fußballverbandes abgesetzt und den Gouverneur von Port Said abgelöst habe.

Umstände klären

Das Parlament will jetzt binnen einer Woche die genauen Umstände für das Blutvergießen klären lassen. Ursache dafür sind nicht enden wollende Spekulationen, dass die Gewalt politisch motiviert war. Ziel sei es, die Revolution zu diskreditieren und den demokratischen Wandel zu stoppen, hieß es in Online-Diskussionsforen. Das Militär wolle Chaos säen, um sich als Schutzmacht unverzichtbar zu machen.

Nach einer anderen Theorie wollten die Sicherheitskräfte den Ahli-Fans einen Denkzettel verpassen, weil sie Demonstranten vor der Gewalt des Militärs schützten.

Zwei Tote in Suez

In Suez starben bei Zusammenstößen mit Sicherheitskräften zwei Menschen. Wie der US-Sender CNN am Freitag in der Früh unter Berufung auf den Direktor eines Krankenhauses berichtete, wurden die beiden erschossen. 25 Protestierer wurden nach Polizeiangaben verletzt.

Zuvor hätten Hunderte Protestierende das Hauptquartier der Sicherheitskräfte in Suez mit Steinen und Molotow-Cocktails angegriffen, zitierte der Sender einen hohen Polizeioffizier. Die Sicherheitskräfte hätten Tränengas eingesetzt und in die Luft geschossen.

Wütende Oppositionelle prangerten indes einen Mangel an Sicherheitsvorkehrungen im Stadion von Port Said an. Die Militärregierung habe die Kämpfe zugelassen oder sogar provoziert, hieß es.

10.000 demonstrierten

Am Donnerstagabend versammelten sich an die 10.000 Kundgebungsteilnehmer vor dem verbarrikadierten Innenministerium in Kairo. Als einige Personen damit begannen, Stacheldrahtzäune zu beseitigen und Steine zu werfen, antwortete die Polizei laut Agenturberichten mit dem schweren Einsatz von Tränengas und drängte die Menge zurück. Dabei sollen nach Angaben des Gesundheitsministeriums mehr als 600 Menschen verletzt worden sein.

Darunter waren auch 54 Polizisten, berichtete das staatliche Fernsehen unter Berufung auf Sicherheitskreise. TV-Berichten zufolge wollte die aufgebrachte Menge das Hauptgebäude des Innenministeriums stürmen.

Spielfeld gestürmt

Am Mittwochabend hatten in der Hafenstadt Port Said Fans des lokalen Teams Al-Masry gegen Ende der Partie das Spielfeld gestürmt und Jagd auf Spieler der Kairoer Gastmannschaft Al-Ahly gemacht. Kämpfe zwischen gegnerischen Fans entbrannten, eine Massenpanik entstand.

"Ich habe Menschen mit Macheten und Messern gesehen" , berichtete ein Journalist. Einige der Opfer seien mit diesen Waffen getötet worden, andere seien im dichten Gedränge von den Tribünen in den Tod gestürzt. "Wir haben Bereitschaftspolizisten gesehen, die in die Luft geschossen haben" , sagte ein Augenzeuge. "Wir wussten nicht, ob sie mit scharfer Munition schießen. Die Menschen haben geschrien und sind gestorben." Fernsehbilder zeigten Sicherheitskräfte im Stadion, die dem Sturm auf das Spielfeld nichts entgegensetzten.

"Der Militärrat will zeigen, dass das Land in Chaos und Zerstörung stürzt" , sagte der 30-jährige Mahmud al-Naggar, Mitglied der Koalition der Revolutionären Jugend in Port Said. "Es sind die Leute von Mubarak." Tantawi war unter Mubarak 20 Jahre Verteidigungsminister. "Die Leute von Mubarak sind immer noch an der Macht" , erklärte Albadri Farghali, Parlamentsabgeordneter in Port Said.

Opposition attackiert Militär

Die Opposition attackierte das Militär scharf. Die Bewegung des 6. April, die mit ihren Massenprotesten vor einem Jahr den Sturz Mubaraks herbeigeführt hatte, erklärte, die Generäle verursachten das Chaos, um die Ägypter davon zu überzeugen, dass das Land ohne den Militärrat nicht zu regieren sei.

Vorgesehen ist, dass der Militärrat um Feldmarschall Mohammed Hussein Tantawi die Macht bis Ende Juni an einen neu gewählten Präsidenten abgibt. Die Jugendbewegung fragte: "Ist es logisch, dass der Militärrat für gewaltfreie Wahlen sorgen, aber ein Fußballspiel nicht absichern konnte?"

"Unsichtbare Kraft hinter Krawallen"

Die Muslimbruderschaft, die das neu gewählte Parlament dominiert, sprach von einer unsichtbaren Kraft hinter den Krawallen. "Wir befürchten, dass einige Offiziere das Volk für ihre Revolution bestrafen wollen" , erklärte die Gruppierung.

Nach den Krawallen in Port Said wurden 47 Menschen festgenommen. Tantawi erklärte in einem Telefongespräch mit einem TV-Sender, er bedauere, was sich in dem Stadion zugetragen habe. Durch den Zwischenfall würden die Pläne für die Machtübergabe an eine zivile Regierung nicht verzögert. Die Militärregierung hatte angekündigt, nach der Präsidentenwahl bis Ende Juni abzutreten.

Ein für die öffentliche Sicherheit zuständiger Militärvertreter, Ahmed Gamal, wies in der Tageszeitung Al-Tahrir jegliche Schuld zurück. Es habe einen guten Sicherheitsplan bei dem Fußballspiel gegeben, doch der Gewaltausbruch sei nicht mehr zu stoppen gewesen. (red/APA/DER STANDARD, Printausgabe, 3.2.2012)