Am Tag vor Beschluss des Asylgesetzes im Ministerrat kam die Kritik aus dem eigenen Haus - der Menschenrechtsbeirat im Innenministerium meldete ernste Zweifel an: Maßnahmen laut Entwurf würden den Rechtsschutz für Asylwerber aushöhlen.


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Wien - Die Kritik kommt spät - doch sie geht tief: Wenige Stunden vor der geplanten Beschließung des neuen Asylgesetzes Mittwoch früh im Ministerrat hat auch der Menschenrechtsbeirat des Innenministeriums starke Zweifel am Gesetzentwurf aus dem eigenen Haus angemeldet.

Der Entwurf - so die dem STANDARD vorliegende Beiratsstellungnahme - sehe "mehrfach verfahrensrechtliche Sonderbestimmungen" vor. Ob diese mit "grundrechtlichen Garantien, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und dem Rechtsstaatlichkeitsprinzip" vereinbar wären, erscheine "fraglich". Vielmehr berge die "Vielzahl der Abweichungen" vom Allgemeinen Verfahrensgesetz (AVG) die Gefahr der "Ausdünnung eines sachgerechten Rechtsschutzes" für Flüchtlinge und Asylwerber.

Menschenrechtliche Verwässerung drohe zum Beispiel dann, wenn Flüchtlinge ihren Asylantrag nicht mehr "im Rahmen der Grenzkontrolle und im Grenzkontrollbereich" (zehn Kilometer landeinwärts) stellen dürften - wie es laut vorliegendem Asylgesetzentwurf geplant ist.

Auch das "vorgesehene Neuerungsverbot" und die "Verweigerung eines Rechtsmittels mit aufschiebender Wirkung", die Berufungen im Asylverfahren erschweren bis verunmöglichen, könnten eine solche Gefahr bergen - wie die "Einschränkung der Beiziehung von Rechtsbeiständen" ebenfalls. "Der Menschenrechtsbeirat empfiehlt, die vorgeschlagenen verfahrensrechtlichen Sonderbestimmungen unter den Gesichtspunkten der Grundrechtskonformität und der Vereinbarkeit. . .mit dem Verfassungsgesetz zu überprüfen und zu modifizieren", heißt es in der Stellungnahme.

Unklar jedoch ist, wie dieser Ratschlag - neben einem halben Dutzend weiteren - in dem neuen Gesetzeswerk Aufnahme finden soll: Die Begutachtungsfrist für das Asylgesetz ist vorüber - "und der Menschenrechtsbeirat wurde von Seiten des Innenministers nicht unter die Begutachter gereiht", erläutert Beiratsvorsitzender Erwin Felzmann.

Auch, dass - wie es aus dem Büro Innenminister Ernst Strassers (ÖVP) heißt - die zum Teil massiven Einwände von Ämtern, Interessensvertretungen und NGO’s "in den Gesetzesentwurf eingearbeitet wurden", raubt den Vorbehalten, wie es scheint, die Wirkkraft: "Wir wussten, dass das Asylgesetz im Juni in den Ministerrat kommt. Aber nicht, dass dies so früh im Juni sein würde", betont Felzmann. Und mahnt für die Zukunft rechtzeitige Information des Kontrollgremiums für die Wahrung der Menschenrechte ein - zumal in menschenrechtlich so wichtigen Fällen.

Umbearbeitung hinter verschlossenen Türen

In Sachen Asylgesetz war bis zuletzt unbekannt, was genau in dem Entwurf steht, der am Mittwoch beschlossen werden soll: Die Umarbeitung fand hinter verschlossenen Türen statt. Amnesty Österreich-Generalsekretär Heinz Patzelt ging von "kräftigen Veränderungen des ersten Ministerialentwurfs" aus - und deklarierte sich anschließend als Zweckoptimist.

Die geplante Liste "sicherer Drittstaaten" (Länder, durch die Flüchtlinge auf ihrer Flucht nach Österreich gereist sind und in die sie laut neuem Asylgesetz pauschal zurückgewiesen werden sollen) würde "ein EU-weites Novum" darstellen, erläuterte indes UNHCR-Sprecher Roland Schönbauer: "Kein weiterer EU-Staat hat eine solche Liste bisher in Gesetzesrang erhoben"; auch in Deutschland werde die Drittlandsicherheit "nur auf dem Verordnungsweg festgestellt".

Österreich radikaler

In Österreich hingegen will man, wie berichtet, radikaler vorgehen. Sämtliche Länder von der Liste der kommenden EU-Erweiterungsrunde sollen als sicher genug deklariert werden, um etwa Kettenrückweisungen in den ursprünglichen Verfolgerstaat auszuschließen. Eine "irrige Ansicht", wie es auch der Unabhängige Bundesasylsenat (Ubas) anhand konkreter Beispiele entschieden habe.

Außerdem, so Schönbauer: "Eine solche gesetzlich fixierte Liste birgt jede Menge diplomatischen Sprengstoff. Man stelle sich nur vor, es gebe Drittlandsicherheitszweifel zum Beispiel an den USA." (Irene Brickner/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 11.6.2003)