St. Pölten - Jener Mann, der von Kriminalisten als "internationaler Schwerverbrecher" eingestuft wird, hat sich am Mittwoch am Landesgericht St. Pölten vor einem Schwurgericht verantworten müssen. Dem 55-Jährigen mit dem Beinamen "Kettenphantom" werden in Zusammenhang mit Einbrüchen und Überfällen in Niederösterreich u.a. Freiheitsentziehung, schwerer Raub und erpresserische Entführung vorgeworfen. Im Prozess zeigte er sich großteils geständig, aber wenig reumütig. Ein Urteil wird für Donnerstag erwartet.

Der 55-Jährige soll im Mai 2009 zunächst eine Frau in Pöchlarn (Bezirk Melk) in ihrem Haus überfallen und nach mehreren Stunden in der Sauna angekettet zurückgelassen haben. In St. Andrä-Wördern (Bezirk Tulln) habe er im darauffolgenden September in Richtung eines Hausbesitzers geschossen und ihn bedroht, nachdem ihn dieser stellte, führte Staatsanwalt Karl Fischer aus. In Stetteldorf am Wagram (Bezirk Korneuburg) soll er dann ein Paar in dessen Haus überfallen, die Frau gefesselt in der Dusche zurückgelassen und den Mann als Geisel mitgenommen haben, bevor er ihn an einen Hochstand angekettet zurückließ.

"Höchst professioneller Verbrecher"

Fischer bezeichnete den 55-Jährigen als "höchst professionellen Verbrecher", der seine Opfer vor den Überfällen genau auskundschaftet hatte, etwa als Jogger. Er sei mit seinen 55 Jahren in verschiedenen Ländern bisher zu insgesamt 41 Jahren Haft verurteilt worden. Die Ausforschung des Täters sei nur durch Zufall im Zusammenhang mit einem Mordfall in einer Wiener Diskothek gelungen, über welcher der aus Montenegro stammende Mann eine Zeitlang gewohnt hatte. Er wurde im März 2010 in Belgrad verhaftet.

Eigentlich hätte der Angeklagte den Mann aus Stetteldorf am Wagram in den Raum Wiener Neustadt entführen und Lösegeld erpressen wollen. Ein Erpresserbrief mit genauesten Anweisungen diesbezüglich wurde von ihm auch auf dem Laptop des Opfers gespeichert und von Richterin Andrea Humer vorgelesen. Dass die Entführung abgebrochen wurde, sei "aus humanitären Gründen" geschehen, erklärte der Beschuldigte und löste Staunen aus. Sowohl dem Opfer als auch ihm sei es nicht gut gegangen.

Kein Geständnis zu Entführung

Da er die Geiselnahme in seinen Augen abgebrochen und das Opfer freigelassen habe, sei er, was die erpresserische Entführung betreffe, nicht geständig, führte der 55-Jährige aus. Humer widersprach: "Sie haben ihn nicht freigelassen. Sie haben ihn an einen Hochstand angebunden seinem Schicksal überlassen. Mit einer Kette um den Hals. Im Oktober". Der Mann hätte sich jederzeit befreien können, da das Holz sehr morsch war, hielt der Angeklagte entgegen, er könne nichts dafür, dass dieser dafür Stunden gebraucht habe: "Er hat seinen Fluchtinstinkt nicht ausgenutzt".

Die am Nachmittag befragten Opfer zeigten sich teilweise schwerst traumatisiert. "Ich hab nicht gedacht, dass ich das Ganze überhaupt überleben werde", meinte die Frau aus Pöchlarn. Auch die anderen sprachen von Todesängsten während des Überfalls und von Traumata, die sie bis heute begleiten würden. Von der geplanten Entführung nach Wiener Neustadt wusste das Paar aus Stetteldorf am Wagram aber nichts - die beiden erfuhren erst durch die Polizei von dem Erpresserbrief und den Plänen des Angeklagten. (APA)