Junghechte brauchen Pflanzen als Versteck. Finden sie nicht schnell genug einen solchen "Einstand", kann dies ihr Überleben gefährden.

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Berlin - Um den Bestand einer Spezies zu erhöhen, kann dieser durch Tiere ergänzt werden, die in Gefangenschaft gezüchtet und dann im gewünschten Gebiet freigelassen werden. Das kann funktionieren, tut es aber nicht immer. Über einen Fall, in dem diese Strategie wenig sinnvoll zu sein scheint, berichtet der Forschungsverbund Berlin.

Im konkreten Fall geht es um den Hecht, einen wichtigen heimischen Raubfisch. Dass man überhaupt zu künstlichen Bestandsergänzungen greift, liegt daran, dass Hechte nicht nur intensiv befischt werden, sondern die Bestände auch unter Uferbegradigungen und dem Verlust von Laichplätzen und Versteckmöglichkeiten leiden.

Experiment

Eine Studie eines internationalen Forscherteams unter Beteiligung von Robert Arlinghaus vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei in Berlin zeigte nun aber, was viele Fischereiwissenschafter seit langem vermuten: Das Aussetzen in Gewässern, in denen es bereits natürliche Hecht-Populationen gibt, erhöht die Bestandszahlen nicht wirklich. Die Tiere aus der Zucht können sich gegenüber ihren ortsansässigen Artgenossen nämlich nicht behaupten.

Bei einem Feldversuch in Dänemark wurden 5.500 markierte Baby-Hechte von durchschnittlich 42 Millimetern Größe in einem natürlichen Flachwassersee ausgesetzt, der bereits über eine sich selbst vermehrende Hechtpopulation verfügte. Ziel war es herauszufinden, wie die "Besatzfische" in der neuen Umgebung zurechtkommen und wie schnell sich die Tiere vom Aussetzort entfernen, um das Gewässer zu besiedeln. Dazu wurden von in den Folgemonaten acht Probe-Befischungen durchgeführt. Sowohl bei den ausgewilderten als auch bei den wilden Altersgenossen untersuchten die Forscher dann Mageninhalt, Wachstum und Verbreitung. 

Gescheiterte Ansiedlung

Die Ergebnisse sahen so aus: Die besetzen Minihechte verbreiteten sich zunächst über den gesamten Schilfgürtel des Sees und legten dazu teilweise weite Distanzen von mehreren hundert Metern zurück. Überraschenderweise schwammen die kleineren Exemplare sogar mehr als die größeren. Dies kann als Verdrängungseffekt der Schwächeren aus den bevorzugten Standorten im Pflanzenbewuchs und als Suche nach anderen "Einständen" interpretiert werden, glauben die Forscher. Ferner zeigte sich, dass die Satzhechte im Vergleich zu ihren im See beheimateten Konkurrenten weniger erfolgreich bei der Nahrungssuche abschnitten: Magenspülungen belegten, dass sich die Tiere aus der Zucht einseitiger und von weniger Nahrungsorganismen ernährten. Auch gab es bei den Besatzhechten mehr leere Mägen zu verzeichnen.

Dementsprechend ging die Zahl der ausgesetzten Hechte kontinuierlich zurück. Während acht Tage nach dem Aussetzen die Zuchthechte noch fast 68 Prozent aller gefangenen Junghechte ausmachten, waren es drei Monate später nur noch 12,5 Prozent. Eine Abwanderung aus dem Untersuchungsgebiet schließen die Forscher nicht aus, in Anbetracht der dürftigen Mageninhalte scheint es ihnen jedoch wahrscheinlicher, dass die meisten Zuchtfische die Sommermonate nicht überlebten.

Mögliche Ursachen

Ansätze zu einer Erklärung gibt es verschiedene: Zum einen könnten die Platzhirsche bzw. Platzhechte über eine Art "genetischen Heimvorteil" verfügen, durch den sie besser an das Gewässer angepasst sind als die Zuchthechte, deren Eltern aus einem 130 Kilometer entfernten See stammten. Aber auch die speziellen Aufzuchtbedingungen könnten verantwortlich sein: Für die Vermehrung der Hechte wurden Samen und Eier von 25 Wildtieren vermischt und nach alter Zuchttradition in speziellen Brutgläsern befruchtet. Nach dem Schlupf wurden die Fische dann 15 Tage in hoher Dichte in Brutbecken gehalten. Die Wissenschafter halten es für möglich, dass sich die unnatürlich hohe Zahl der Individuen auf engem Raum in den ersten Entwicklungstagen nachteilig auf die frühe Larvenentwicklung auswirkte - etwa indem das Erlernen wesentlicher Verhaltensweisen erschwert wurde.

Die Forscher ziehen daraus das Resümee, dass sich in einem natürlichen oder naturnahen See die Bestandsgröße durch Besatz langfristig kaum erhöhen lässt. (red)