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Normalerweise fährt Marcel Hirscher nicht nur in Kitzbühel ganz knapp an die Stangen heran. Das führt mitunter zu optischen Täuschungen und heftigen Diskussionen. Bei diesem Tor hat Hirscher aber eindeutig nicht eingefädelt.

Foto: Reuters/Föger

Kitzbühel - Marcel Hirscher hat es dieser Tage nicht leicht. Und am Sonntag, im zweiten Durchgang des Slaloms, schaffte er tatsächlich, was ihm zuvor und laut Fis-Renndirektor Günter Hujara zu Unrecht vorgeworfen worden war. Er war extrem spektakulär unterwegs. Und fädelte ein. Unbestritten. "Ich hab mich sehr, sehr geärgert. Die Umstände waren ja wirklich kurios", sagte der 22-jährige Salzburger, und damit meinte er nicht sein Ausscheiden auf dem Ganslernhang.

Zuvor waren Gerüchte aufgetaucht, dass Hirscher bei seinem Sieg vor fast drei Wochen in Zagreb eingefädelt hätte, was aber von den Torrichtern übersehen worden sei. Die Aufregung war und ist groß. Unabhängig davon, dass Ergebnisse offiziell sind, wenn 15 Minuten nach Rennschluss kein Protest eingebracht wurde.

Hirscher wusste davon gar nichts und hatte auch die Aufnahmen einer High-Speed-Kamera, die dies angeblich belegten, nicht gesehen. Die schauten sich die Experten, allen voran Hujara, wieder und wieder an. Es ist zu sehen, dass Hirscher mit dem Innenski auf die gekippte Stange fährt, diese aber nicht jenseits des inneren Skis wieder hochkommt. "Völlig korrekt", stellte Hujara fest. Auch der Deutsche Felix Neureuther, Zweiter in Zagreb, war in Verdacht geraten. Hujara sprach auch ihn frei.

Und dann der erste Durchgang von Kitzbühel: Hirscher fährt mit dem Innenski auf die Stange, fährt weiter, frohlockt im Ziel, wird aus der Wertung genommen. Und wenig später von der Jury nach Videostudium wieder aufgenommen. Alles korrekt.

"Es ist nur ein Rennen, aber die Schande währt ewig", sagte Ivica Kostelic, der Dritte von Zagreb, der sich offenbar betrogen fühlt, nachdem er im Slalom von Kitzbühel ebenfalls Dritter geworden war und Sieger der Hahnenkamm-Kombination. Damit löste er Titelverteidiger Hirscher an der Spitze der Gesamtweltcupwertung ab. Kostelic, der Geschichtestudent, der ein Zitat eines französischen Generals aus dem 15. Jahrhundert anwandte, welches dieser seinem nach einer verlorenen Schlacht flüchtenden König nachgeworfen hatte, ad Zagreb: "Ich habe gesehen, dass er eingefädelt hat. Aber ich werde mir die Bilder noch einmal anschauen."

Die Regel

In der Internationalen Wettkampfordnung (IWO) der Fis steht geschrieben: Ein Tor ist korrekt durchfahren, wenn beide Skispitzen und beide Füße des Wettkämpfers die Torlinie überfahren haben. Die Torlinie beim Slalom ist die gedachte kürzeste Linie zwischen Drehstange und Außenstange. Wenn ein Wettkämpfer eine Stange aus ihrer vertikalen Stellung entfernt, bevor seine Füße und Skispitzen die Torlinie passiert haben, ist die Stellung der Füße und der Skispitzen des Wettkämpfers zum Originalzustand der Torlinie maßgebend.

Eine große Aufgabe für Torrichter und in manchen Fällen wohl unlösbar. Grauzonen sind offenbar nicht auszuschließen. Das erinnert an Diskussionen im Fußball, etwa bei einem Elferpfiff, dessen Recht- oder Unrechtmäßigkeit auch nach der x-ten Wiederholung die einen so und die anderen so sehen.

Speziell Hirscher attackiert jedes Tor so hart, dass Fehler kaum auszumachen sind. "Man sieht, dass das bei meinem Fahrstil sehr knapp zugeht. Aber der Schuh ist auf der richtigen Seite, das ist der Indikator", sagte er und versicherte, dass er bei jedem Tor etwas spürt, weil eine Stange hängenbleibt, aber niemals weiterfahren würde, wenn ihm klar sei, er habe eingefädelt. Cristian Deville, der mit 31 seinen ersten Weltcupsieg feierte: "Ich glaube Marcel, er ist ein fairer Sportler."

Bereits morgen, Dienstag, gibt es wieder 120 Gelegenheiten zum Einfädeln und zum High-Speed-Kamera-Bilder-Schauen. Der Flutlichtslalom von Schladming, das sogenannte Nightrace, steht an. (Benno Zelsacher, DER STANDARD, Printausgabe, 23.1.2012)