Wien - Für Panik ist kein Anlass, aber für Ignorieren auch nicht. Sechs Millionen Menschen in Europa dürften an Vorhofflimmern, dem unkoordinierten und zu raschen "Flattern" der Herz-Vorhöfe leiden. Das erhöht vor allem das Risiko für Schlaganfälle durch Blutgerinnsel, die sich in den Vorhöfen bilden können. Die medizinische Betreuung sollte aufmerksam und koordiniert in Kooperation zwischen Hausarzt und Spezialisten erfolgen, hieß es am Freitag bei einer Enquete der Österreichischen Kardiologischen Gesellschaft und des Gesundheitsministeriums in Wien.
"Man schätzt, dass ein bis zwei Prozent der Gesamtbevölkerung betroffen sind. Bei den über 80-Jährigen sind es mehr als zehn Prozent. In Österreich dürften es rund 100.000 Menschen sein. Die Dunkelziffer ist hoch", erklärte Franz Weidinger, Kardiologe an der 2.Medizinischen Abteilung der Krankenanstalt Rudolfstiftung in Wien und zukünftiger Präsident der Österreichischen Kardiologischen Gesellschaft (ÖKG).
Bildung von Blutgerinnseln
Vorhofflimmern ist die häufigste Herzrhythmusstörung. Dabei kommt es entweder aus unbekannten Ursachen oder auf der Basis einer bestehenden Herzkrankheit pro Minute statt zu 70 Stimulationen der Herz-Vorhöfe zu 350 bis 600. Das verschlechtert die Arbeit des Herzens insgesamt. Die gefürchtetste Komplikation ist die Bildung von Blutgerinnseln, welche Schlaganfälle auslösen können. Vorhofflimmern erhöht das Risiko um das Fünffache, wie der Wiener Neurologe Wilfried Lang, in seinem Vortrag darstellte.
Der Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Allgemeinmedizin (ÖGAM), der Hartberger Hausarzt Reinhold Glehr: "Unter den Patienten meiner Ordination habe sicher rund 40 Fälle." Das sei fast so häufig wie Diabetes.
Diagnose sowie optimale medizinische Versorgung können nur im Netzwerk zwischen Allgemeinmedizinern, niedergelassenen Fachärzten und - im Bedarfsfall - Spitälern erfolgen. Weidinger: "Viele Betroffene spüren nichts." Oberflächlich symptomloses Vorhofflimmern sei aber wahrscheinlich genauso gefährlich wie deutlich bemerkbare derartige Rhythmusstörungen.
Zu wenige Patienten erhalten Antikoagulation
Einerseits zielt die Therapie auf die Beherrschung bzw. Beseitigung des "Flimmerns" selbst ab, andererseits geht es im Fall des Falles bei den Betroffenen auch um die Verhinderung der Thrombenbildung, um das Schlaganfallrisiko zu reduzieren. Das wiederum bedarf einer medikamentösen Blutverdünnung ("Antikoagulation"). Doch - so die Fachleute es gibt Hinweise darauf, dass zu wenige Patienten eine Antikoagulation bekommen.
Bei hier seit Jahrzehnten eingesetzten Vitamin-K-Antagonisten (in Europa vor allem Marcoumar) sind eine regelmäßige Laborkontrolle bzw. Dosisanpassung im Bedarfsfall notwendig, um entweder die Wirksamkeit zu erhalten oder Blutungs-Nebenwirkungen zu verhindern. Das macht die Sache teilweise kompliziert. Neue, einfach dosierbare Gerinnungshemmer könnten hier eine Verbesserung bringen, weil die Notwendigkeit von regelmäßigen Laborkontrollen bzw. Dosisanpassungen entfällt. Aber die Aufmerksamkeit der Ärzte und deren Kooperation bleiben trotzdem notwendig.
Aus Sicht der Neurologen - so Wilfried Lang - sollten für Österreich auch Versorgungsziele definiert werden. Man könnte zum Beispiel vereinbaren, die Zahl der Schlaganfälle bei Patienten mit Vorhofflimmern bis 2014 möglichst um 25 Prozent verringern. (APA)