Mercedes Echerer  und  Erik Jan Rippmann

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Foto: Stadttheater / Sepp Gallauer

Wien - Der wahre Hauptheld in Joshua Sobols Cyber-Drama Verklärte Nacht ist nicht aus Fleisch und Blut, hört aber auf den Namen "Josh". Josh drängt sich nicht an die Rampe vor. Die überlässt er einer "Frau" (Mercedes Echerer) und einem "Mann" (Erik Jan Rippmann), die im Luxusappartement eines "High Towers" lieblos aneinander vorbeileben.

Josh ist der Hauscomputer, der auf Zuruf ein ganzes Mosaik von Netzbildern auf die Rückwand des Stadttheaters Walfischgasse zaubert. Es liegt vornehmlich an Josh, dass sich Sobols Uraufführung seines eigenen Kammerspiels von 1997 wie ein technologiekritisches Update des unverwüstlichen Amphitryon-Stoffes ausnimmt. Mann kehrt unerwartet früh von einer Geschäftsreise zurück, Frau erledigt als "Personal Advisor" ihre Servicegespräche von zu Hause aus. Irgendwann landen die beiden miteinander im Bett, nur um festzustellen, dass sich der Heimkehrer in der Wohnungstür geirrt haben muss.

Hat er das wirklich? Josh, der alte Kuppler, lullt das Pärchen mit seinen psychedelischen Wanddekorationen derart nachhaltig ein, dass den beiden darob glatt die Realität abhanden kommt. Erst in der dialogischen Schadensabwicklung nimmt Sobols Inszenierung Fahrt auf und gewinnt (in der Ausstattung von Edna Sobol) die hohe, philosophische See.

Die Bühne gehört Josh: Bevor der effektvoll implodiert, säuft und halluziniert sich das traute hoch-eilige Paar in eine moralische Therapiesitzung hinüber, die vor allem Echerer mit Bravour besteht. Eine brave Boulevardtheaterleistung. Misstrauen Sie Josh und allen seinen Brüdern! (poh / DER STANDARD, Printausgabe, 19.1.2012)