Grafik: DER STANDARD

Die EU-Kommission nimmt auch die Konvertierung von Fremdwährungskrediten aufs Korn.

***

Ungarn droht weiterer Ärger in der EU. Die Kommission hat am Dienstag drei Verfahren gegen Budapest eingeleitet - prüft aber wegen weiterer zwei umstrittener Gesetze ein Vertragsverletzungsverfahren. Eines davon betrifft die Einführung einer 16-prozentigen Flat Tax in Ungarn. Als heikler - und für die österreichischen Banken besonders interessant - gilt aber ein mögliches Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn wegen der Zwangskonvertierung der Fremdwährungskredite.

Das Gesetz zur neuen Flat Tax wurde kurz vor Jahreswechsel verabschiedet und kann nur mit einer Zweidrittelmehrheit verändert werden. Anders gesagt: Künftige Regierungen werden die Flat Tax ohne Zustimmung der derzeit regierenden Fidesz wohl nicht ändern können.

Ausgangspunkt des fünften möglichen Verfahrens ist eine Beschwerde mehrerer Banken - darunter Erste, Raiffeisen und UniCredit - gegen das Gesetz, das Bankkunden erlaubt, Fremdwährungskredite weit unter Marktkursen in Forint zu wechseln. Laut der Bestimmung mussten die Banken einen festgelegten niedrigen Tauschkurs (180 Forint je Franken) akzeptieren. Rund 100.000 Menschen haben bisher konvertiert - noch einmal doppelt so viele haben sich angemeldet.

Die Kommission hat Ungarn eine Reihe von Fragen dazu übermittelt und prüft insbesondere, ob die Bestimmungen gegen die EU-Kapitalverkehrsfreiheit verstoßen. Vor zwei Wochen sind die Antworten aus Budapest eingetrudelt - nach der Analyse soll entschieden werden, ob Verfahren eingeleitet werden, hieß es auf Standard-Nachfrage in Brüssel.

Sollte die Kommission vor den Europäischen Gerichtshof ziehen, könnte Ungarn zu Schadenersatzzahlungen verurteilt werden. Im schlimmsten, nach Experteneinschätzung aber unwahrscheinlichen Fall muss Ungarn die Transaktion sogar rückabwickeln.

Tatsächlich haben Banken ungarische Kunden unterschreiben lassen, dass sie die Differenz zwischen realem und fiktivem Wechselkurs rückzahlen müssen, sollte das Fremdwährungsgesetz aufgehoben werden. Die ungarische Finanzaufsicht hat das untersagt und der Volksbank bereits eine Strafe von 50 Million Forint (160.000 Euro) aufgebrummt.

Zuletzt hat sich das Klima zwischen Finanzinstituten und Budapest etwas entspannt. Gemeinsam wurde ein Paket beschlossen, um den Fremdwährungsschuldnern zu helfen. Doch die Beschwerde ist weiter anhängig und könnte als Druckmittel dienen.

Das Engagement der österreichischen Banken in Ungarn war einer der Gründe für die Herabstufung Österreichs durch Standard & Poor's. Die heimischen Institute kommen auf fast 40 Milliarden Euro an Ausleihungen im Nachbarland. In Ungarn überschreiten Ausleihungen die Bankeinlagen um 30 Prozent. Das Geschäftsmodell gilt daher im Falle von Störungen als besonders anfällig. Eine von der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) gestartete Initiative soll Abhilfe schaffen. Die OeNB schreibt künftig fest, dass die Neukreditvergabe 110 Prozent der Einlagen nicht überschreiten darf. Neben Ungarn würde diese Maßnahme vor allem die Aktivitäten in Rumänien, Bulgarien und Slowenien treffen.

Nebel über Wiener Initiative

In Wien hat dazu am Montag ein Treffen zwischen Vertretern des Internationalen Währungsfonds, der Osteuropabank EBRD, der Weltbank sowie Finanzministerium und Notenbankern stattgefunden. Thema war eine Neuauflage der Wiener Initiative. Dabei handelt es sich um eine Anfang 2009 geschlossene Vereinbarung zwischen IWF/EBRD und Weltbank mit Banken und nationalen Aufsehern, durch die ein Totalabsturz in Osteuropa verhindert wurde. Die Banken verpflichteten sich dazu, ihr Engagement in Osteuropa aufrechtzuerhalten. Die Vereinbarung ist ausgelaufen, die EBRD drängt auf eine Neuauflage. Hintergrund: Da Banken bis Sommer 2012 strengere Anforderungen ans Eigenkapital erfüllen müssen, fürchtet die EBRD einen Rückzug aus Teilen Osteuropas.

Tatsächlich sträuben sich die Banken, diesmal Zusagen zu machen. Die Wiener Initiative 2.0 wird kommen, aber vermutlich eine reine Übereinkunft der Aufseher und internationaler Finanzorganisationen - ohne Beteiligung der Banken - bleiben. So sollen etwa von Geldhäusern an die Europäischen Bankaufseher (EBA) übermittelte Pläne zur Erfüllung der Kapitalvorgaben darauf geprüft werden, welche Auswirkungen sie auf einzelne Länder in Osteuropa haben werden, sagt EBRD-Chefstrategin Piroska Nagy. Heimische Banker sind ratlos und sprechen von "Chaos" : Die Aufseher legten Kreditschranken fest, die internationalen Organisationen warnen vor einem Zudrehen des Geldhahns.

International schlägt die Region wieder Wellen. Das Wachstum der vergangenen Jahre sei zu einem Fünftel Folge der Kreditflüsse aus Westeuropa, sagt Yves Zlotowski, Chefökonom des französischen Kreditversicherers. Den Ländern zusätzlich Probleme bereitet die starke Abhängigkeit der Ausfuhren von der Eurozone. "Die Banken werden ihre Engagement in Osteuropa reduzieren" , ist Zlotowski überzeugt. Zu spüren bekämen das Unternehmen und Haushalt in Form einer Kreditklemme. (András Szigetvari, Andreas Schnauder, DER STANDARD, Printausgabe, 18.1.2012)