Langsam, sagt Günter Koch, komme er in ein Alter, wo er sich auch manchmal frage: "Was kommt danach?" Ruhestand: keine Option. Warum also nicht das, was man weiß und kann, nehmen und um einen Tick weiterdrehen?

Günter Koch gründet eine Universität. "Weisheits- und Erfahrungsuniversität" nennt der arrivierte Wissens- und Forschungsmanager die Humboldt Kosmos University. Koch war bis 2003 Chief Executive Officer (CEO) des heutigen Austrian Institute of Technology (damals Seibersdorf), u. a. 2004 Initiator und Mitglied einer Expertengruppe der Europäischen Kommission zum Thema "Intellektuelles Kapital" und ist heute u. a. Generalsekretär des New Club of Paris, der dem Club of Rome nachempfunden ist, sich allerdings inhaltlich mit Themen einer Wissensgesellschaft auseinandersetzt.

Dass die "University" in Teneriffa verortet ist, hat mehrere Gründe, sagt Koch. Zum einen sei der Begriff "University" im Ausland nicht geschützt, zum anderen seien die lokalen Bedingungen sehr gut - vieles sei kleindimensionierter, die Wege seien kürzer, um nur einige Gründe zu nennen. Das Klima, sagt er, spiele auch eine Rolle: "Dort gibt es nie weniger als 20 Grad." Und wenn man sich die Leute anschaue, die sich übers Jahr auf der größten der Kanarischen Inseln aufhalten, sei der Altersdurchschnitt ein höherer, so Koch weiter, "von den klassischen Wetterflüchtlingen bis hin zu Pensionisten", sagt er.

Und: Es gebe auch dort viele Deutsche - wobei die Menschen, die sich im Süden der Insel aufhalten, mehr dem Massentourismus zuzurechnen sind und jene im Norden "grosso modo zu den kulturell Interessierten zählen."

"Ganzheitlichkeit"

Die Erfahrung zeige, sagt Koch, dass bestimmte Formen von Wissen bei manchen Menschen besser vorhanden sind - etwa Übersichts- oder Zusammenhangswissen. Gegen das "biologische Alter" verwehre er sich, sagt Koch. "Das gibt es nicht." Ein Universitätsprofessor, nennt er ein Beispiel, der mit 65 Jahren emeritiert wird, darf noch drei Jahre an seinem Schreibtisch sitzen und muss dann gehen. Koch: "Ich kenne sehr viele in dieser Altersklasse, die das nicht einsehen. Für die ist das eine äußerst dumme Situation."

Und wohl auch für jene, die nicht mehr auf das Wissen und die Erfahrung dieser Personen zurückgreifen können. Den großen und wichtigen Themen dieser Zeit - Klima, Demografie etc. - könne man nicht mit "separatem" Wissen begegnen, ist Koch überzeugt. "Es geht um einen Ganzheitlichkeitsansatz", sagt er. Bei großen Themen müsse man eine immense Zahl von Dingen und Disziplinen zusammenbringen. Starten wird die wohl erst in zwei Jahren auch als Gebäude manifestierte Universität im Februar 2012 mit Seminaren (in deutscher, englischer und spanischer Sprache) und einer Konferenz des New Club of Paris. Koch: "Wir werden uns den großen Herausforderungen stellen. Das Lernkonzept sieht vor, Gruppierungen von Teilnehmern aus verschiedenen Erfahrungsbereichen zusammenzubekommen. Zum Beispiel ehemalige Politiker, Verkehrsexperten oder Soziologen zum Thema Stadtentwicklung."

Partner Aalto University

Das Projekt der Weisheits- und Erfahrungs-Uni wird gemeinsam mit der Aalto University (Campus for Society Innovations) in Helsinki durchgeführt. Das Modell der neugegründeten Universität komme von dort. Und: Was auf Teneriffa mit einer älteren Generation erarbeitet werde, so Koch, gebe es in Helsinki "symmetrisch" für die Jungen.

Koch: "Wir versuchen mit dieser Denkanstalt auch mechanistische Lehrsysteme zu konterkarieren, die Kultur des ganzheitlichen Denkens zu stärken. Im gängigen System wird vieles schleichend schlechter. Und wenn man nach zehn Jahren draufkommt, muss es Alternativen geben." (Heidi Aichinger, DER STANDARD, Printausgabe, 14.1.2012)