Das Bemühen, als eine intensive Persönlichkeit zu erscheinen, kann auch nach hinten losgehen. Wirkt das Bemühen nämlich zu bemüht, geht man den Menschen bald einmal auf die Nerven. Im Fernsehen, im paradoxen Umfeld reproduzierter Authentizität, ist ein prägnanter Charakter, der ungekünstelt wirken soll, eine Gratwanderung. Und im österreichischen Fernsehen mit seiner großen Tradition bochener, Verzeihung, halborigineller TV-Produktionen, ist der Grat noch viel schmaler.

Foto: ORF/Petro Domenigg

Nun, Ursula Strauss als Chefinspektorin Angelika Schnell tänzelt den schmalen Grat mehr oder weniger sicher entlang, manchmal hebt sie ab, manchmal fällt sie. Am Beginn der vierten Staffel von Schnell ermittelt kehrte sie Dienstagabend auf ORF 1 nach erlittenem Bauchschuss als mördersuchende Wiener Femme fragile aus dem Krankenstand zurück.

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Ihre Tagträume blenden nun nicht mehr auf das Leben der Mordopfer zurück, sondern stellen sie vor ein posttraumatisches Rätsel um ein imaginiertes Mädchen, von dem sie regelmäßig erschreckt wird. In der Stadt, in der die Psychoanalyse erfunden wurde, sollte auch das Problem innerhalb einer Staffel zu lösen sein.

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Die Serie funktioniert, weil die Krimischablone diesmal nicht nur mit halbherzigem Lokalkolorit-Schmäh, sondern auch mit Herz, Schmerz und Drama einer nichtkriminalistischen Serienwelt versetzt ist. Auf den Charakter von Frau Schnell wirkt sich das positiv aus. Sie bekommt Raum, gescheit, keck, sanft und verletzlich zu sein. Manchmal zu viel: Das Herummenscheln kann die Krimihandlung schnell ausbremsen. Und dem Ringen um intensive Präsenz darf man das Ringen nie ansehen. (Alois Pumhösel, DER STANDARD; Printausgabe, 12.1.2012)

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