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Iranerinnen im Parlament.
Foto: APA/EPA/ Behrouz Mehri
Wien - "Eine der Hauptsorgen der Konservativen im Iran ist heute, dass Frauen gebildeter sein könnten als Männer. Denn über sechzig Prozent der Studierenden sind Frauen", erklärt Nayereh Tohidi, ehemalige Harvard-Professorin und Exiliranerin, im Interview mit dem STANDARD. Der liberale Präsident Mohammad Khatami habe die Erwartungen der Reformbewegung im Iran nicht erfüllt. "Er hat seine Versprechungen nicht gehalten und zu viele Kompromisse mit den Geistlichen geschlossen." Glaubt man Tohidi, ist der Reformprozess in dem seit 1979 von konservativ-islamischen Kräften regierten Land dennoch unaufhaltsam geworden. Die neue treibende Kraft der Bewegung seien Frauen.

Sie kämpfen laut Tohidi gegen das iranische Familienrecht, dem zufolge Scheidung immer noch Männersache ist und Frauen ohne Erlaubnis nicht verreisen dürfen. Es sei eine feministische Bewegung, aber nur wenige bezeichnen sie so: "Der Ausdruck ist zu stark in der westlichen Ideologie verwurzelt, diese Frauen wollen authentisch in ihrer eigenen Kultur bleiben." Das Frauenmagazin Zanan ("Frauen") etwa bietet für viele IranerInnen - beiderlei Geschlechts - die einzige Möglichkeit, sich objektiv zu informieren.

Daneben ziehen auch Shiren Ebadi und Mehrangiz Kar, zwei "feministische Anwältinnen", die Aufmerksamkeit auf sich. "Sie sind im Iran so beliebt, sie könnten in zwei Jahren sogar als Präsidentinnen kandidieren. Die Reformparteien dagegen sind elitär und haben ihre Türen für die Zivilgesellschaft nie geöffnet", so Tohidi. Von Politikverdrossenheit aber gibt es keine Spur: "Die Menschen suchen sich neue Wege für den Protest. Viele Filme beschäftigen sich heute mit feministischen Themen. Samira Makhmalbaf ist heuer das dritte Mal in Cannes ausgezeichnet worden."

Kein Schulterschluss

Seit die USA im Irak stehen, hat sich auch die Diskussion um die iranische Außenpolitik verschärft. "Die Hardliner fordern nun wegen der neuen Bedrohung einen Schulterschluss in der Bevölkerung." Doch demokratiebewegte Studenten wollen davon nichts wissen. Nach dem Ende des Irakkrieges haben 24 Universitätsverbände in einer Petition die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zu den USA und einen Stopp der Unterstützung für terroristische Gruppen gefordert.

"Die Studenten warnen, dass ohne weitere Öffnung des Landes sich niemand einer Invasion widersetzen würde", erklärt Tohidi. Sie fordert eine andere Art der Intervention: "Die iranische Zivilgesellschaft muss gefördert werden, das wäre konstruktiver." (DER STANDARD, Printausgabe 10.06.2003)