Allison, Keri, Tootsie und Ellen (v.l.n.r.) unterrichten im Rahmen des Programms "Teach For America".

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Megan und Phil Crow versuchten ihr Glück in Russland. Demnächst wollen sie nach Südkorea auswandern.

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Ana hat Pharmazie studiert und arbeitet zurzeit in einem Teeladen.

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William Pole lebt seit knapp einem Jahr als Englischlehrer in Seoul. Auf dem Bild ist er mit seinem Schüler Hwang (Andy) zu sehen.

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Es war schon einmal leichter, Uni-Absolvent in den USA zu sein. Die Nachwehen der Wirtschaftskrise sind in den Staaten immer noch zu spüren, obwohl die Arbeitslosenraten in den letzten Monaten gesunken sind. Die Zahlen können aber einen Trend nicht beschönigen, der auch der jungen, gebildeten Schicht der US-Amerikaner zu schaffen macht: Nicht alle Jobs, die von der Krise gefressen wurden, werden zurückkommen.

Briefträger mit Bachelor-Abschluss

Seit Ausbruch der Wirtschaftskrise sinken die Zahlen jener Universitätsabsolventen, die unmittelbar nach dem Abschluss einen Job finden. Und jene, die Arbeit finden, bekommen ein niedrigeres Anfangsgehalt als vor Ausbruch der Krise. Außerdem benötigt man lediglich für die Hälfte der Einstiegsjobs, die Uni-Absolventen ergattern können, ein Studium. So hat laut "Spiegel" bereits ein Fünftel aller amerikanischen Briefträger einen Bachelor-Abschluss.

Allison, die in Yale Literatur studiert hat, beschreibt die Problematik ihrer Generation so: "Vor 30 Jahren hast du noch ohne Universitätsabschluss einen guten Job bekommen. Mein Vater ist Elektriker, meine Mutter Krankenschwester, und keiner der beiden hat studiert. Heute aber arbeiten viele Akademiker in diesen Berufen." Allison dagegen landete nach ihrem Bachelor-Abschluss im ärmsten Bundesstaat der USA - Mississippi. Hier unterrichtet sie genauso wie ihre Mitbewohnerinnen Keri, Tootsie und Ellen im Rahmen des Programms "Teach For America". Die vier arbeiten mit Schülern aus sozial schwachen Familien. Ein Pädagogikstudium hat aber nur Keri abgeschlossen. Allison glaubt, dass "Teach For America" zu einem Rettungsanker für viele Studenten wurde, die eigentlich nie vorhatten, Unterrichtserfahrung zu sammeln: "Ich hatte in Yale Freunde, die Investmentbanking oder Recht studierten. Diese bewarben sich auch für 'Teach For America', weil es sich gut im Lebenslauf macht und zumindest ein gesichertes Einkommen beschert."

Auswanderungsland USA

Vordergründig schützt Bildung auch in den USA vor der Arbeitslosigkeit. Die Arbeitslosenquote für "frische" Universitätsabsolventen beträgt in den USA knapp neun Prozent, für alle Personen mit mindestens Bachelor-Abschluss gut vier Prozent. Im Vergleich zu Österreich (2,4 Prozent) ist diese Rate hoch, aber ohne Universitätsabschluss steigt sie beträchtlich. Die Arbeitslosenraten für neue Highschool-Abgänger und Highschool-Abbrecher liegen nämlich bei 22,9 bzw. 31,5 Prozent.

Im Zuge dieser Krise geschieht in den USA etwas Ungewöhnliches: Leute verlassen das klassischste aller Einwanderungsländer. Mehr US-Amerikaner denn je leben außerhalb der Staaten. Mehr als sechs Millionen US-Bürger sind es, die zurzeit im Ausland studieren oder arbeiten.

Ernüchterung nach Uni-Abschluss

Für Megan und Phil Crow führte die Reise nach Russland. Die beiden wollten in St. Petersburg Englisch unterrichten, da ihrer Meinung nach "die Jobsuche in den USA eine Lotterie" ist. Sie sagen, es sei wichtiger, Netzwerke zu haben und Menschen mit Einfluss zu kennen, als einen Master-Abschluss vorzeigen zu können. Die beiden studierten in Pittsburgh "Medien und Animation" und arbeiteten nach ihrem Abschluss in der Videospieleindustrie. Rückblickend lassen sie aber an ihrer Alma Mater kein gutes Haar: "Unsere Universität wollte in erster Linie Geld machen, und so wurde jeder aufgenommen, der die Studiengebühren zahlen konnte. Darunter litt natürlich die Qualität des Studienprogramms, und die Brutalität des Arbeitsmarktes führte bei vielen zu Desillusionierung." Der erste Versuch auszuwandern entpuppte sich allerdings als Reinfall. Phil Crow wurde in St. Petersburg wochenlang nicht bezahlt und entschied sich für die Heimreise. Die beiden planen allerdings einen zweiten Auswanderungsversuch - dieses Mal soll es nach Südkorea gehen.

Rettungsanker Südkorea

Dort könnten sie auf William Pole treffen. Der 24-Jährige lebt seit knapp einem Jahr als Englischlehrer in Seoul. Nachdem er in Montreal Germanistik studiert hatte, zog er wieder zu seinen Eltern und arbeitete monatelang in Aushilfsjobs. Seine jetzige Heimat Südkorea wurde in den letzten Jahren für viele Amerikaner zu einem "Prag des 21. Jahrhunderts". Lebten viele Englischlehrer in den 90er-Jahren noch in Prag, ist heutzutage Südkorea zu einem Magnet für sie geworden. Über 20.000 US-Amerikaner unterrichten heute in Südkorea. Pole fühlt sich in Seoul wohl, er lernt immer mehr Einheimische kennen, trifft sich seltener mit anderen amerikanischen Englischlehrern. Noch mindestens ein Jahr will er in Südkorea bleiben, falls sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt aber verbessert, will er in die USA zurückgehen: "Viele Amerikaner sprechen in einer apokalyptischen Weise über die Lage am heimischen Arbeitsmarkt. Ich bin da vorsichtig, glaube aber dennoch, dass es nicht mehr so leicht möglich ist, einen Schreibtischjob in den USA zu bekommen, wie noch vor ein paar Jahrzehnten."

Problem Überqualifzierung

Es sind aber nicht nur Geisteswissenschaftler, die am amerikanischen Arbeitsmarkt scheitern. Ana hat Pharmazie studiert und arbeitet zurzeit in einem Teeladen. Sie denkt zwar, dass sich viele Absolventen mit ihrer Studienwahl selbst das Leben schwer gemacht haben, zweifelt aber dennoch, ob sie einen Master oder Doktor anstreben soll: "Ich war bei einer Pharmaziemesse. Dort sprach ich mit ein paar Pharmazie-Doktoranden, die mir sehr davon abgeraten haben, ein Doktorat anzufangen. Firmen interessieren sich laut deren Meinung mehr für Leute mit einem Bachelor oder Master und ein paar Jahren Berufserfahrung. Überqualifizierte Leute wollen sie nicht, da sie diesen mehr bezahlen müssen." Die schlechtesten Aussichten auf einen Arbeitsplatz hat man zurzeit übrigens mit einem Architekturabschluss. Knapp 14 Prozent der Absolventen können nach ihrem Studium keine Arbeit finden.

Steigt der Emigrantenanteil noch weiter?

Während sich einige College-Absolventen in staatliche Bildungsprogramme retten, andere Mastergänge oder Doktorate anfangen, um noch besser qualifiziert zu sein, und wiederum andere überqualifiziert für ihren Arbeitsplatz sind, steigt in Zukunft womöglich noch einmal der Anteil jener US-Amerikaner, die ihr Glück im Ausland versuchen. Einer Umfrage zufolge würden nämlich 40 Prozent der 18- bis 24-jährigen Amerikaner ihr Land verlassen, wenn sie im Ausland die Möglichkeit einer fixen Anstellung hätten. (Willi Kozanek, daStandard.at, 10.1.2012)