Urknall im Sängerknaben-Kristall: Am Augartenspitz ketteten sich vor zwei Jahren Demonstranten auf Bäume, mittlerweile ist der Rohbau des neuen Konzertsaals fertig

Der Urknall ist gemeinhin der Beginn des Universums. Im Universum der Wiener Sängerknaben sorgte das "Projekt Kristall" bisher jedoch eher für einen anderen Knall: Gegner wollten am Augartenspitz lieber weiterhin die alten Bäume und das halb verfallene Pförtnerhäuschen sehen und demonstrierten gegen den Bau. Schließlich wurden die Baumbesetzer von der Polizei entfernt. Bis heute wird das Gelände von Securitys bewacht.

Foto: Michael Hierner / www.hierner.info

Dabei ist das Projekt der Wiener Architekten von "Archipel" durchaus eines, das in seiner Formensprache und Vision zum modernen Wien passt und sich etwa gut in das Umfeld eines T-Centers in St. Marx oder der Donaucity einfügen würde. Stünde das Gebäude zur Donau gerichtet auf der "Platte", hätte vermutlich auch niemand etwas gegen das Imageprojekt der Liebhaber des hellen Kindergesanges.

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Aber der Spitz des Augartens ist kein Ort, an dem man einfach ein Gebäude "hinstellen" darf - jedenfalls aus der Sicht der recht zahlreichen Gegner, die sich rund um die Aktivisten des "Josefinischen Erlustigungskomitees" gebildet hatten. Zu sensibel sei der Ort, zu modern das Gebäude. Inzwischen sind aber auch diese Proteste einigermaßen verstummt und der Rohbau ist nun fertiggestellt.

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Die gute Nachricht: Ein Tarnkappenbomber ist es nicht geworden. Die Befürchtungen der Gegner, wonach das Gebäude einem militärischen Jäger der Lüfte gleichen könnte, haben sich zum Glück nicht bewahrheitet. Vielmehr erinnert der Bau - vor allem aus der Sicht der Castellezgasse - an ein Krokodil ohne Beine, welches gerade aus dem Wasser kriecht.

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Auch aus der Perspektive der Oberen Augartenstraße ist das Gebäude überraschend unscheinbar. Der Neubau wird nicht selbstbewusst zur Schau gestellt, sondern größtenteils vom alten Pförtnerhäuschen verdeckt.

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Alt und Neu ergeben eine ungewollte Symbiose, wenngleich diese auch einer der Kompromisse mit den Demonstranten und dem Denkmalschutz war.

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Doch wie schaut es im Inneren des Gebäudes aus? (Nördliche Ansicht aus der Castellezgasse).

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Wie die äußere Form des Baukörpers bereits erahnen lässt, ist im "Haus der Tausend Winkel" kaum eine Wand gerade. Diese Verwinkelungen bewirken, dass man sich darin wie in einem Raumschiff fühlt.

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Die äußere Form ergibt automatisch die innere und umgekehrt. Dieses Spiel von Positiv und Negativ wird teilweise förmlich auf die Spitze getrieben.

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Dies erzeugt besonders im zukünftigen Büro der Geschäftsleitung eine fast schon soghafte Wirkung.

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Das Herzstück des Gebäudes bildet aber der Konzertsaal. Er soll mit Holzpaneelen ausgestattet werden, die auf die komplizierte Akustik des Raumes abgestimmt sind. Derzeit befinden sich hier allerdings nur Stützen, die einen künstlichen Plafond halten und den Saal temporär in zwei Teile teilen.

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Im oberen Teil des Saales sind vor allem die Stahlträger über der sechs Meter hohen und zwölf Meter breiten Bühne sichtbar.

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Ebenfalls Teil des Saals ist der Logenbereich. Eine kleine Überraschung befindet sich unterhalb der Bühne: Löcher im Keller erlauben es, Schauspieler erscheinen oder verschwinden zu lassen.

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Im Keller sollen die Räume vor allem als Lager und zum Proben genutzt werden.

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Der Blick vom Baukran lässt die Größe des Konzertsaales erahnen. Er bietet Raum für 415 Sitzplätze - inklusive vier Rollstuhlplätzen. Die zukünftige Fassade des Gebäudes wird von Metall und Glas bestimmt.

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Ende 2012 soll das Gebäude eröffnet werden und neben der Nutzung als Konzertsaal auch zum Kaffeetrinken im Pförtnerhaus einladen.

(Fotos und Text: Michael Hierner / www.hierner.info, derStandard.at, 9.1.2011)

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