Da grüßen Saurüssel paniert mit Senf, Wildpaté und Quiche. Das fängt ja gut an

Restaurant Obauer
Großes Menü 110, großer Bahnhof zu viert mit ordentlich Wein, Wasser, Kaffee und zehn großen Gängen: 490 Euro

Schöne Grüße für Buben: Lachstatar - Geschlechtertrennung beim Hallosagen, warum auch immer

Schöne Grüße, Mädels: Kohlcreme - warum mit Babylöffel, fragte die Wundervolle, und ich wusste keine Antwort

Nein, das Schwarzbeerrisotto war nicht so violett, wie es hier scheint. Und die Leber viel dunkler - Fidler kämpft schon wieder mit dem Weißabgleich

Die Niere und der Weißabgleich - eine schwierige Beziehung

Wolfsbarsch, Hummer und ihre Freunde, große Freude gegenüber

Spießig: die Lammniere drängt sich hier in den Vordergrund - ich hätte nur zugreifen müssen

Fotos: Harald Fidler

Hirsch im Schatten - eine Freude

Fotos: Harald Fidler

Gut, die Bergkäse-Erdäpfelpü-Kombi mit den Albatrüffeln hätte nicht sein müssen. Aber wenn man weiß, was Frauen wünschen, jedenfalls eine am Tisch sicher, und man sich im Piemont eh sehr zurückgehalten hat, weil eben die nicht dabei war und auch keine und kein anderer, der oder dem die Knolle wichtig ist. Dann kann man schon bei Obauers zuschlagen. Oder? Zu viert eine Portion. Hey. 

Alles so schön bunt hier

Gut, 55 Euro sind jetzt nicht nichts für einen Gang. Aber wenn man zu diesem Gang vorgedrungen ist, nimmt man's auch nicht mehr so schwer beim Werfen des Geldes. Und: Der Gang war schon sehr, sehr gut. So gut, dass ich gleich vergessen hab, ihn zu fotografieren. Wobei: Ich ringe eh gerade mit der Lumix, nach Stufe 1 (Weißabgleich!) auch noch das kleine Einmaleins des Farbrealismus zu erlernen. Da ging mir auch bei Obauers einiges schief, wie sie in der Fotoleiste links erkennen.

Wo-bei, Optik: Ein bisschen Farbrealismus in der Gestaltung täte auch dem Haus nicht schlecht. Vieles so schön bunt hier etwa am Eingang: Waren das die Neunziger, die Nullerjahre oder doch schon die Achtziger? Dieses Rot und Violett an den Toilettentüren, ich weiß nicht. Die Spiegelstreifen innen. Gleichwohl: Gastroarchitektur überlass ich besser auch den Profis. Und dilettiere munter weiter herum an Ess- und Trinkbarem. Da fährt man bei Obauers schon ganz gut.

Harald hört sein Hu

Wenn ich erst einmal das kleine, spießige Erstaunen überwunden habe, dass sich Hauptspeisen in dieser Klasse inzwischen auf 40plusniveau bewegen. Gut, genau da sollte ich mich ja doch langsam zuhause fühlen. Aber mein Huch sagt mir: Ich bin die Liga der ehrenwerten Köche nicht mehr gewohnt. Das wird sich wohl spätestens nach dem Imbissausflug der Schmeck's-Neigungsgruppe Barcelona/Girona in zwei Wochen gelegt haben. Und schon in Salzburg kann man solche Bedenken rasch über Bord werfen. Ich bin halt dann doch noch ein bisschen nörglerischer unterwegs.

Was mir bei Obauers auffiel, vielleicht hab ichs ja auch nicht verstanden und daher, nach Dollase, ein paar Akkorde verpasst: Es ist hier, jedenfalls für mein eher schlichtes Gemüt, schon recht viel los pro Gang. Eine wunderbare, wunderbar intensive Lammleber zum Beispiel liegt auf einem Schwarzbeerrisotto und passt prächtig zu dessen (selbst für Dessertverweigerer wie mich) angenehmer Süße. Die kandierte rosa Grapefruit aber hätte ich, wiewohl von der Speisekarte vorgewarnt, nicht unbedingt gebraucht.

Allein: Man kann nicht sagen, man bekomme nichts geboten für 19 Euro, auch die Menge sehr episch. Und: Das Lila meines Foto haben die Schwarzbeeren nicht verdient (siehe oben unter Weißabgleich, räusper). Auch wenn's jetzt nicht so rauskam: Die Leber und den Risotto mochte ich sehr.

Sardelle vs. Dattel

Wer eine - überraschend und angenehm unwuchtige - Maronisuppe bestellt mit getrocknetem Gamsrücken, ist da vielleicht etwas übersichtlicher bedient. Auch die Hummersuppe mit Safrankürbis und Ingwer kam gegenüber sehr gut an. Und ich muss jetzt wirklich nicht meckern. Entscheidungsschwächen wie meine werden mit einem herrlichen "Selbstverständlich" gelöst.

Selbstverständlich gibt es die Lammniere auch als Zwischengang, dann 30 statt 40 Euro. Und ich möchte eigentlich ihre größere Schwester vielleicht gar nicht unbedingt kennenlernen, wenn schon die kleinere soviel Gewicht hat. Kann man von sehr gut auch zuviel haben? Im Zweifelsfall: nein.

O!Bauer

Das Organ begleiten Datteln, Sardelle und "Artischockentascherl". Der Raviolo blieb mir nicht im Gedächtnis zwischen den Geschmackswuchten von Süßfrucht und Salzfisch. Ich versuchte, mich durch deren Ringkampf nicht ablenken zu lassen von einer der wunderbarsten Nieren der Welt.

Die andere Niere hätte ich gerne gekostet, auch wenn sie mir Dilettanten ja eher nach Leber aussah, aber ich habe keinen Grund, an ihrer Vorstellung zu zweifeln: Werfener Lamm kommt mit Zuspeis aus dem Inneren des Tieres, serviert an einem Zuspieß, der mich ein bisschen an hiesige Einrichtungsrelikte vergangener Zeiten erinnert. Der Spieß hätte mich natürlich nicht abgeschreckt.

Schon freute ich mich auf die kleine Scheibe. Hatte mein Gegenüber nicht vor wenigen Stunden erklärt, sie koste zwar alles, mache sich jetzt aber nicht soviel aus Innereien, schon gar kein Essen? Ich muss mich verhört haben: So schnell hab ich bisher keinen inneren Wert vergehen sehen. Noch vor den kraftvollen Bröselkäsenockerln und dem auch sehr gelobten Sauerrahmrettich, die das Lamm ebenfalls begleiteten.

Petziteller

Weniger flexible Esserinnen indes haben's bei Obauers gar nicht so leicht, glaubte ich zwischendurch zu hören. Nein, keine Vegetarierin. Sofern diese keine unschöne Trüffelallergie oder ernste Kohleknappheit plagt, fänden sie auf der Karte zur Vorspeis immerhin Topinamburnudeln mit Nussbutter und weißem "Piemontesertrüffel", pro Gramm 5 Euro, oder Artischocken-Castelfrancosalat mit Perigord-Trüffel. Es soll einem fleischfrei nie schlimmer ergehen. Oder halt Maronisuppe ohne Gamsrücken. Über die Hauptspeisen müssten sie rasch hinwegsehen und zum Bergkäse-Erdäpfelpüree mit, ja, Piemontesertrüffel übergehen, wenn sie einen zweiten warmen Gang einlegen wollen. Sonst halt gleich kalten Käse und Süßes.

Leber meiner Träume

Aber: Was tut eine sonst wundervolle Frau, die zwar Fleisch, aber kein junges und kein wildes, jedenfalls auf dem Teller, mag; Geflügel meidet, und Innereien sowieso? Und die für das Vegetarierinnenmenü zu rücksichtsvoll ist? Da wirds schon recht eng bei den Hauptgängen. Zwischen Perlhuhn (mit Gänseleber, pst, Madeirazwiebeln und Saubohnen), das beim Herren, der zu meiner Rechten saß, sehr gut ankam, und Blutwursttascherl, zwischen Kalbsfilet, Lamm (siehe oben), Taube (fast hätte ich sie erlegt), Kalbsniere eben, Jungrinderkotelett und, ja, meins, Tauernhirsch-Rücken? Genau: Fisch. Und eigentlich eh nicht zu knapp: Zander umschiffte sie, Arctic Saibling mit Miesmuscheln auch, und landete beim Wolfsbarsch mit Hummer, Zitronensauce und Datteltomaten. Geht doch. Und sehr gut, hörte ich ich bald danach. Zum Kosten bin ich nicht gekommen. Ein gutes Zeichen.

Ich hatte ohnehin gut mit meinem Hirschen zu tun. Sehr, sehr, sehr schöner rosa Rücken, vielleicht für meine inzwischen hochgezwirbelten Erwartungen ein bisschen fest, aber vielleicht werd ich auch schon richtig alt. Warum Chicoreeblätter den Hirschen beschatten mussten, erschloss sich mir nicht ganz. Die samtige Sellerie an seiner Seite indes schloss ich gleich ins Herz, die Wildwermutsauce ebenso, und wer würde Vogelbeeren verschmähen? Herz? Leiderleider, keine Zuspeis aus dem Inneren des Wildtieres, dabei durfte ich vor kurzem erst eine steirische Hirschleber kennenlernen, von der ich jetzt noch träume.

Kalbsfrottee mit Hahnenkämmen

A propos Träumen: Das nächste Mal, und darauf hoffe ich sehr, würde ich doch gerne gleich im Haus übernachten. Dann gingen sich zum Frühstück oder spätestens zum Gabelfrühstück Paprikakutteln mit Bergkäse aus. Die haben mir einst schon nach einem ambitionierten Abend mit Herrn Hilberg im Winterstellgut mehr als gut in den Tag geholfen. Und inzwischen kommt das paprizierte Kalbsfrottee nicht mehr wie damals mit Miesmuscheln, sondern mit Zitronenpfeffer, Feuerbrot, das es allein schon auszutesten gälte, und - Hahnenkämmen. Womit wir wieder im Piemont wären. Da lässt sich kommende Woche nahtlos anschließen. Mit dreimal Brei für Fidler. Bleiben Sie dran.