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Mitt Romney (links) bei der TV-Debatte in New Hampshire. Rechts: der Überraschungszweite von Iowa, Rick Santorum.

Foto: Elise Amendola/AP/dapd

Draußen, vor den backsteinroten Bildungstempeln des altehrwürdigen St. Anselm College, kommt es allein auf Lautstärke an. "Romney is the man", skandiert ein kleiner Trupp, angeführt von einem jungen Börsenmakler. Worauf der Freundeskreis von "Occupy Wall Street" eindeutig lauter erwidert: "Romney, Romney, he's no good, what we need is Robin Hood."

Drinnen, im blauen Neonlicht der Uni-Arena, schlägt Newt Gingrich, eigentlich ein Freund des Kapitalismus, in die gleiche Kerbe wie die Kapitalismuskritiker draußen in der Jännerkälte. Er sei ja sehr für das freie Spiel der Marktkräfte, beteuert der Ex-Parlamentsvorsitzende. Aber Romneys Wall-Street-Modell gefalle ihm nicht. Ein Modell, bei dem man Firmen aufkaufe, sie ausdünne und dann schnellstens abstoße - "und die entlassenen Arbeiter zurücklässt". Nein, findet Gingrich, ein so kalter Sanierer habe im Weißen Haus nichts zu suchen.

Primary am Dienstag

Es ist die wichtigste TV-Debatte vor den Primaries, bei denen New Hampshire am Dienstag entscheidet, wer als Herausforderer Barack Obamas ins Duell ums Oval Office gehen soll. Romney, Gründer einer Beteiligungsgesellschaft und Ex-Gouverneur von Massachusetts, liegt in Umfragen vorn. Landet er einen Erdrutschsieg, ist das Rennen vielleicht schon gelaufen, die 48 folgenden Bundesstaaten wären nur noch Pflichtprogramm. Weshalb die anderen zur Schlammschlacht blasen - aggressiv bis verzweifelt.

Allen voran Gingrich, der die Segel streichen kann, wenn er in New Hampshire den Anschluss zu Romney verliert. Obama würde diesen Herrn nur auslachen, sollte er jemals vor großem Publikum mit ihm diskutieren, spottet er über den Parteifreund. Denn Romneys Gesundheitsreform in Massachusetts gleiche aufs Haar der Reform des Weißen Hauses, jenem Monstrum, das aus Amerika einen bevormundenden Kindermädchenstaat mache. Der Angegriffene repliziert süffisant mit einem Hinweis auf Gingrichs lange Politikerkarriere: "Leute, die ihr ganzes Leben in Washington verbrachten, verstehen nicht, was in der Realwirtschaft passiert."

"Leute, die nie gedient haben, haben kein Recht, unsere Kinder in Kriege zu schicken", poltert seinerseits Ron Paul, der libertäre, bisweilen kauzig wirkende Kongressabgeordnete aus Texas. Es ist eine Breitseite gegen Gingrich. Der hatte während des Vietnamkriegs als junger Vater eine Befreiung von der Wehrpflicht erreicht, heute predigt er im Atomkonflikt mit Iran militärische Stärke. Paul dagegen, in den Sechzigern Arzt in Uniform bei der Luftwaffe, fordert ein Ende amerikanischer Interventionen in fernen Weltgegenden. "Ich versuche, Kriege zu stoppen. Aber immerhin war ich zur Stelle, als man mich rief."

Dann ist da noch die TV-Werbung. Es geht dabei weniger um eigene Botschaften als darum, die Rivalen zu demontieren. Eine Gruppe lokaler Ron-Paul-Sympathisanten nimmt Jon Huntsman aufs Korn, den Sachlichsten aller Bewerber, der bis 2011 Botschafter in Peking war und ein chinesisches Mädchen adoptierte. "Wer ist dieser Jon Huntsman?", raunt eine Stimme zu exotischen Klängen. Es folgen Szenen, bei denen der Diplomat, ein Baby im Arm, Mandarin spricht.

Für die Scheinpatrioten ist allein seine weltläufige Art ein Grund, um "China-Jon" zum Fremdkörper zu stempeln. "Amerikanische Werte? Oder chinesische?" Wofür stehe er eigentlich, dieser rätselhafte Kandidat? Die Krönung folgt ganz zum Schluss. Da trägt Huntsman, der Erbe eines schwerreichen Industriellen, eine Mao-Mütze - mit rotem Stern. (Frank Herrmann aus Manchester, DER STANDARD-Printausgabe, 09.01.2012)