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Zweiter und doch Sieger: Rick Santorum hat den Schwung der letzten Tage genutzt und kam bei den Caucuses auf den unerwartet hohen zweiten Platz.

Foto: EPA/Steve Pope
Grafik: DER STANDARD

Das Lächeln sagt eigentlich alles, das strahlende Lächeln des Überraschungssiegers. Rick Santorum spricht vom Dank, den er Iowa schulde, vom ersten Schritt auf einem langen Weg, "um unser Land zurückzugewinnen". Sätze aus dem Standardrepertoire routinierter Politiker. Interessanter wird es, als er an seinen Marathon durch den Präriestaat erinnert, an 99 durchfahrene Landkreise und 381 Bürgersprechstunden. Da lässt er irgendwie an Forrest Gump denken, den Filmhelden auf seinem langen Lauf quer durch Amerika. Rick Santorum, der Mann, der aus dem Nichts kam - manche lokale Schlagzeile fängt ihn treffend ein, den großen Coup von Iowa.

Genau genommen hat der Ex-Senator aus Pennsylvania gar nicht gewonnen. Er erhält genau acht Stimmen weniger als Mitt Romney, der millionenschwere Geschäftsmann, der einst den Ostküstenstaat Massachusetts regierte (siehe Grafik). Beide kommen auf je 25 Prozent, dicht gefolgt von Ron Paul, einem kauzig wirkenden Abgeordneten, der den Staat schlanksparen will, bis nur noch ein Gerippe übrig ist.

Fast sechzig Prozent von Iowas Vorwählern sind evangelikale Christen. Anfangs hatten sie sich für Michele Bachmann erwärmt, später für Rick Perry. Als es ernst wurde, katapultierten sie Santorum nach oben. Einen Sohn italienischer Einwanderer, Vater von sieben Kindern, entschiedener Abtreibungsgegner und überaus fromm. Es ist der Lohn für einen Fleißarbeiter. Und vielleicht eine Eintagsfliege, denn wer in Iowa auftrumpft, kann auf der nächsten Etappe, im liberaleren New Hampshire, schnell zurückfallen.

Rückblende. Dienstagabend. Klirrende Kälte lässt den Atem gefrieren, der Parkplatz der Ames Middle School füllt sich langsam. Wer abstimmen will, muss bis 19 Uhr im richtigen Zimmer sitzen, sonst ist er umsonst hergefahren. Wie ein besorgter Hausmeister wuselt Ray Dearin durch die Korridore und achtet darauf, dass alle ihren Caucus finden. Vier solcher Wahlversammlungen gehen im Labyrinth der Schule über die Bühne, da kann man sich leicht verirren. Und Dearin will nicht, dass sich jemand verirrt. Er ist so etwas wie die graue Eminenz des Caucus-Spektakels von Ames, der Seniorchef der örtlichen Republikaner. Erstmals nach gut drei Jahrzehnten hat er das Organisieren einem Jüngeren überlassen, was ihn nicht davon abhält, hier und da ordnend einzugreifen. Es soll eben alles klappen wie am Schnürchen, "wir stehen ja diesmal ganz allein im Rampenlicht".

Vor vier Jahren war das noch anders, da drehte sich alles um die Demokraten mit ihrem packenden Duell zwischen Barack Obama und Hillary Clinton. Und als dann erstmals ein schwarzer Politiker ins Weiße Haus einzog, da war auch Dearin zu Tränen gerührt, trotz aller Differenzen. "Es war, als hätten wir die Erblast des Rassismus abgetragen. Endlich." Aber nun wähnt der betagte Herr sein Land auf falschem Kurs, denn Obama pfusche der Wirtschaft ständig ins Handwerk. Obendrein zweifle er daran, dass die USA die größte Nation auf Erden sei. "Er vermittelt das Gefühl amerikanischer Schwäche, nicht amerikanischer Stärke."

Ames ist die Zentrale der Iowa State University, die Bildungsmetropole des Agrarstaats. Stacy Perlowski hat hier Psychologie studiert und im Laufe von fünf Jahren sechzigtausend Dollar Schulden angehäuft, da sie die horrenden Unigebühren nur auf Pump finanzieren konnte. Als sie fertig war, fand sie keine Arbeit, und dass die ernüchternde Erfahrung in die Ära Obama fiel, dürfte der Grund sein, warum Stacy Perlowski die Partei wechselt.

2008 ließ sie sich noch bei den Demokraten registrieren. Jetzt schreibt sie sich bei den Republikanern ein, ein Übertritt mit Vorbehalt. "Nur wegen Ron Paul. Für keinen anderen Konservativen würde ich stimmen." Paul ist für sie das, was Obama 2008 war. Ein Hoffnungsträger, trotz seiner 76 Jahre. "Einer, der anders redet als die üblichen Politiker, offener, ehrlicher." Den Abschied von der Weltmachtrolle, wie ihn der Isolationist Paul predigt, Perlowski findet Gefallen daran: "Wir haben zu Hause genug Probleme."

Der Versicherungsmakler Jake Rowlands hält eine Laudatio auf Mitt Romney. "Unser Wirtschaftsmotor ist kaputt, wir brauchen jemanden der ihn repariert, und Romney ist der beste Monteur." Hauptsache kurz, so wurde es einstimmig beschlossen. Zwei Minuten Redezeit für jeden, der für seinen Favoriten werben möchte. Pro Kandidat nur ein Redner. Das sind die Regeln. Sobald die Werber verstummt sind, kreuzt jeder auf einem Notizzettel einen Namen an, Hauptsache schnell. Knapp eine Stunde dauert das Procedere, schließlich steht das Ergebnis an der Tafel. 25 Stimmen für Paul, 24 für Romney, 15 für Santorum, die anderen deutlich abgeschlagen. "Nur kein großes Gewese, wir haben alle zu Hause zu tun", sagt Katy Anderson und eilt schon zur Tür. (DER STANDARD Printausgabe, 5.1.2012)