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Die Taliban-Kommandanten Hakimullah Mehsud (links) und Waliur Rehman

Foto: AP/dapd/Ishtiaq Mehsud

Thomas Ruttig: Das Wichtigste ist, dass die Taliban ein offizielles Zeichen senden, nicht nur an Krieg zu denken.

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Zehn Jahre nach der US-geführten Invasion Afghanistans mehren sich die Anzeichen für eine mögliche Verhandlungslösung. Die aufständischen Taliban wollen ein Verbindungsbüro im Golfstaat Katar einrichten, um Gespräche mit der US-Regierung zu erleichtern. Nach anfänglichem Widerstand hat auch Afghanistans Präsident Hamid Karzai zu verstehen gegeben, dass er diplomatische Bemühungen nicht behindern wird. Bert Eder erreichte den Afghanistan-Experten Thomas Ruttig im Weihnachtsurlaub und sprach mit ihm über die Aussichten auf eine Beendigung des Konflikts.

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derStandard.at: Wozu hat man zehn Jahre Krieg am Hindukusch geführt, wenn man jetzt durch Verhandlungen eine friedliche Lösung erreichen könnte, in deren Rahmen die Taliban der Gewalt und Verbindungen zu internationalen Terrororganisationen abschwören?

Thomas Ruttig: Man hat erst ziemlich spät begonnen, nach einer politischen Lösung zu suchen, und diese Bemühungen zeigen nun offenbar erste Erfolge. Das Wichtigste ist, dass die Taliban ein offizielles Zeichen senden, nicht nur an Krieg zu denken. Offenbar beginnen sie langsam zu glauben, dass es die internationale Staatengemeinschaft und die USA mit diesen Gesprächen ernst meinen.

derStandard.at: Wäre das nicht auch schon früher möglich gewesen?

Ruttig: Bisher hat es an gegenseitigem Vertrauen gemangelt. In der kriegerischen Auseinandersetzung, in der beide Seiten gezielte Tötungen einsetzen, ist es schwer, Gesprächsangebote ernst zu nehmen.

derStandard.at: Warum hat Ihrer Meinung nach Präsident Karzai nach anfänglichem Widerstand nun doch der Einrichtung des Büros in Katar zugestimmt? Ursprünglich hat Karzai ja deswegen sogar den Botschafter aus Katar abgezogen.

Ruttig: Offenbar wurde die Forderungsliste, die die Afghanen an die Amerikaner geschickt haben, nun nach intensiven Gesprächen doch akzeptiert.

derStandard.at: Im November 2010 hat sich ein Geschäftsbesitzer aus dem pakistanischen Quetta als Taliban-Verhandler ausgegeben und so hunderttausende Dollar erbeutet (derStandard.at berichtete). Welche Gewissheit gibt es, dass die Unterhändler diesmal echt sind?

Ruttig: Einige der Taliban-Gesprächspartner kennt man aus der Zeit, als sie noch Afghanistans Regierung stellten. Da ist zum Beispiel Tayeb Agha, Ex-Botschaftsangehöriger in Pakistan, oder auch der ehemalige Vize-Gesundheitsminister Sher Abbas Stanekzai, der damals das einzige Regierungsmitglied war, das einigermaßen Englisch sprach.

2010 haben sich ausländische Mächte bemüht, Verhandlungen aufzunehmen, und jeder versuchte, den größten oder dicksten Taliban zu angeln, wobei natürlich Fehler passieren können. Aus solchen Dingen kann man allerdings zum Glück auch seine Lehren ziehen.

derStandard.at: Eine der Bedingungen, die die Taliban stellen, ist die Freilassung mehrerer Guantanamo-Häftlinge. Ist dies mitten im Wahlkampf in den USA politisch durchzusetzen?

Ruttig: Das wird schwierig. Schließlich hat ein Gericht in Washington im Juni eine Haftprüfung für Khairullah Said Wali Khairkhwa abgelehnt. Andererseits gibt es auch republikanische Politiker, die die Truppen nach Hause bringen wollen. Falls Obama dies gelingen sollte, könnte er das als Erfolg verkaufen.

derStandard.at: Ist das Abzugsdatum 2014 realistisch?

Ruttig: Die afghanischen Institutionen sind noch nicht stabil genug, sich alleine behaupten zu können. Es wird wohl eher nach irakischem Vorbild eine Umwidmung der Kampftruppen in eine Trainings- und Monitoring-Mission werden, und auch die Special Forces werden wohl im Land bleiben.

derStandard.at: Würden sich die Taliban im Falle einer Regierungsbeteiligung damit abfinden?

Ruttig: Sie würden sicher Gegenleistungen verlangen. Möglich wäre, dass es den ausländischen Truppen untersagt wird, sich in innenpolitische Auseinandersetzungen einzumischen, sie sich also nur der Terrorismusbekämpfung widmen dürften.

derStandard.at: CNN berichtet unter Berufung auf pakistanische Diplomaten, dass Islamabad mit den neuen Verhandlungen alles andere als glücklich ist, weil der einflussreiche Geheimdienst ISI nicht eingebunden ist. Ist damit zu rechnen, dass die Pakistaner die Verhandlungen sabotieren?

Ruttig: Das ist zumindest nicht auszuschließen. Hier sind die USA gefordert, die Pakistaner über etwaige Fortschritte zu informieren. Aus afghanischer Sicht ist es natürlich durchaus sinnvoll, die Taliban aus der direkten Beeinflussung durch die Pakistaner rauszukriegen. Die Taliban wiederum sind aus logistischen Gründen darauf angewiesen, die Pakistaner nicht vor den Kopf zu stoßen.

derStandard.at: Ist mit baldigen Ergebnissen der Verhandlungen zu rechnen?

Ruttig: Es ist wichtig, dass der erste Schritt getan wurde. Erfolgsgarantie gibt es keine, aber man muss es vor allem im Interesse der afghanischen Bevölkerung, die am meisten unter dem Konflikt leidet, versuchen. Wichtig ist vor allem, "Spoiler" wie die Pakistaner, die Sand ins Getriebe streuen könnten, zu beruhigen und diese wissen zu lassen, dass solche Torpedierungsversuche nicht gut ankommen. (derStandard.at/5.1.2012)