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AAA - von Österreich sehnsuchtsvoll erwartet. Im Dezember wurde die Bestnote dann auch serviert. Nicht so bei Wikirating, da gibt es nur ein A-.

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Mit den Triple-A-Vorzeigekinder der Ratingagenturen geht die Comunity insgesamt um einiges strenger vor.

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AAA? Für Österreich nicht, da gibt es nur ein A-

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AAA sucht man bei Wikirating überhaupt vergeblich.

Grafik: Wikirating

Ratingagenturen sind umstritten, ihre Rolle in der Finanz- und Schuldenkrise ist es ebenso. Standard & Poor's, Moody's und Fitch kennt heute jeder, weit über die Finanzbranche hinaus eilt ihnen ihr mittlerweile eher zweifelhafter Ruf voraus. Die Europäische Union hat bislang vergeblich versucht, den gewerbsmäßig agierenden Bewertern von Staaten und Unternehmen die Flügel zu stutzen. Geht es nach Dorian Credé, so soll dies aber kein unveränderlicher Zustand sein. Credé hat Wikirating gegründet. Eine Plattform nach dem Vorbild von Wikipedia und WikiLeaks.

"Wikipedia, und später in ähnlicher Form WikiLeaks, wären nie das geworden, wenn nicht viele Menschen mitgewirkt hätten", sagt der gebürtige Österreicher im Gespräch mit derStandard.at. Genau da setzt sein Projekt auch an. Kluge Zeitgenossen sollen schaffen, was die Politik nicht schafft. Wie die Bonitätswächter selbst, vergeben hier die User Noten an Länder und Unternehmen. Wie bei den Ratingagenturen, steht auch hier eine Buchstabenkombination zur Verfügung: Von AAA (höchste Bonität) bis D (Default=Zahlungsausfall) reicht die Skala.

Ernste Alternative

Den größten Unterschied zwischen seinem Projekt und den Agenturen sieht Credé in der Glaubwürdigkeit der Abstimmung: "Wikirating ist die erste freie transparente und unabhängige Plattform für Credit-Ratings." Als Spaßprojekt versteht er die Sache aber nicht: "Die Vision ist, dass Wikirating eine Quelle für unabhängige und glaubwürdige Credit Ratings werden wird, also eine ernste Alternative zur amerikanischen Dominanz der drei Rating Agenturen. Amerika hat Wikipedia, Ozeanien hat WikiLeaks und Europa hat eventuell ... Wikirating?"

Getrieben haben den Mathematiker, der an der ETH Zürich studiert hat, die Emotionen. Seit Jahren beschäftige er sich neben seinem Job in der IT-Branche mit Finanzmärkten. Dabei habe er ein Missverhältnis zwischen dem Erfolg und dem Einfluss der Ratingagenturen konstatiert: "Mit den Beispielen Island und Lehman Brothers haben die Ratingagenturen für mich ziemlich an Glaubwürdigkeit verloren." Ganz alleine mit diesem Zweifel war Credé nicht. Doch trotz der Tatsache, dass die Bonitätswächter rund um die Finanzkrise 2008 auch Ramschpapiere als sichere Geldanlage angepriesen hatten, blieb die Macht der der US-Größen unbestritten und unbeschnitten. Eine EU-Alternative wurde bislang heiß diskutiert, aber nie auf die Beine gestellt. Credé ärgerte sich über dieses Nichtstun. Im Frühjahr 2010 machte er sich auf die Suche nach ernst zu nehmenden, unabhängigen Alternativen. Allein, es gab sie nicht.  

Aufwändiges Projekt

So machte der 37jährige zusammen mit seinem Arbeitskollegen Erwan Salembier Nägel mit Köpfen. Nachdem es kein Open-Source-Projekt für Ratings gab, gründete er kurzerhand selbst eines. "Technisch habe ich mich gut ausgekannt. Außerdem habe ich bei Wikpedia als Autor mitgearbeitet. Und wir wollten beweisen, dass es geht." Gemeinsam mit Salembier opferte er Urlaub und Freizeit – mehr als 1.000 Stunden sammelten sich an. Im September 2011 ging Wikirating.org online, über 2.100 Nutzer haben bislang ihre Chance zur Mitbestimmung genützt.

Geratet wird nach zwei Methoden. Erstens per Abstimmung, bei der jeder nur einmal ein Land bewerten darf, um Manipulationen hintanzuhalten. Zweitens nach dem Sovereign Wikirating Index (SWI), einem Rechenmodell, dass Credé entwickelt hat.  Was dabei in Rechnung genommen wird: Gesamtverschuldung, Zahlungsbilanz zwischen Import und Export, Wirtschaftswachstum, Inflation und Arbeitslosenquote. "Daten, die einem auch der Hausverstand nahelegt", erklärt der Mathematiker sein Modell. Und Daten, die jeder abrufen kann, das Rechenmodell ist online einzusehen. Was die Methode betrifft, so sei hier nichts in Stein gemeißelt, sagt Credé: "Der Grundstein für Wikirating ist gelegt - zwei Rating Methoden sind jetzt schon aufgeschaltet und dienen als Grundlage für eine Weiterentwicklung und Anpassung durch die Community." Wikirating ist damit das Gegenteil von der Konkurrenz. Die lässt sich weniger gern in die Karten schauen, hat sie doch ein Geschäftsmodell zu verteidigen.

A-Klasse für Austria

Wer einen Blick auf die Seite wirft, stellt fest, dass fast alle großen Industrienation nach dem Wikirating Modell schlechter bewertet werden, als von den drei großen Agenturen. Deren Noten stehen zum Vergleich übrigens gleich daneben. AAA-Länder wie Deutschland oder Großbritannien schaffen es hier nur in die A-Klasse. Österreich gesellt sich da übrigens dazu. Triple-A sucht man hier vergeblich. Gerade einmal AA gibt es für die Schweiz und Liechtenstein.

Dass die Ratings von irgendwem und nicht unbedingt von Experten stammen, dass sich die Bewerter möglicherweise zu sehr von Emotionen treiben lassen, sieht Credé eher gelassen. "Emotionen sind eine gewisse Gefahr. Andrerseits reagieren ja durchaus auch die Märkte irrational." Grundsätzlich findet er, dass die User schlussendlich erstaunlich gut und realistisch abstimmen. Und Kritik an seinem System hält er aus: "Die Diskussion ist ja immerhin das Wesen einer Open-Source-Seite. Und jeder der es besser kann, ist herzlich willkommen." (Regina Bruckner, derStandard.at, 4.1.2012)