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Der deutsche Bundespräsident Christian Wulff soll mit einem Anruf beim Chefredakteur der Bild-Zeitung versucht haben, Berichterstattung über die Vergabe eines Kredites an ihn zu verhindern.

Foto: Markus Schreiber, File/AP/dapd

Berlin - Der Anruf des deutschen Bundespräsidenten Christian Wulff bei "Bild", um ihm nicht genehme Berichterstattung zu verhindern, soll kein Einzelfall gewesen sein: Laut Informationen von Spiegel-Online hat Wulff auch mit dem Chefredakteur der "Welt am Sonntag" telefoniert und versucht Berichte über ihn zu verhindern. Im Fall der versuchten Intervention bei "Welt am Sonntag" ging es nicht um die im Dezember bekannt gewordenen Kreditaffaire, sondern um einen Artikel über Wulffs Familie, der bereits Mitte 2011 veröffentlicht wurde.

Hilfe bei Sponsorensuche

Am Dienstag sind auch weitere Vorwürfe gegen Wulff bekannt geworden: Wulff hat nach Informationen der Illustrierten "stern" in seiner Zeit als niedersächsischer Ministerpräsident dem Eventmanager Manfred Schmidt zumindest indirekt bei der Sponsorensuche für private Prominentenpartys geholfen. Wie die Hamburger Zeitschrift in ihrer am Donnerstag erscheinenden Ausgabe berichtet, sprach Wulff seinerzeit den Vorstandschef des Hannoveraner Versicherungskonzerns Talanx, Herbert Haas, auf den von Schmidt privatwirtschaftlich organisierten sogenannten "Nord-Süd-Dialog" an. Wulff, der Schirmherr der Veranstaltungsreihe war, habe Haas "auf die Veranstaltung aufmerksam gemacht", teilte Talanx auf stern-Anfrage mit. Der Konzern entschied sich anschließend für ein Sponsoring und steuerte für das Event im Dezember 2009 insgesamt 10.000 Euro bei.

Auch der Touristikkonzern TUI wurde von der niedersächsischen Staatskanzlei auf die Eventreihe hingewiesen und zahlte 2007 und 2008 je 25.000 Euro für den Nord-Süd-Dialog. Wulff-Sprecher Olaf Glaeseker habe zuvor "auf die Veranstaltung und die Möglichkeit eines Sponsorings aufmerksam gemacht", bestätigte TUI. Ausgelöst von einem Bericht von stern.de über kostenlose Ferienaufenthalte von Glaeseker auf den Anwesen von Schmidt prüft die Staatsanwaltschaft in Hannover inzwischen, ob sie ein Ermittlungsverfahren gegen Wulffs Ex-Sprecher einleiten muss.

Wie die Staatskanzlei in Hannover dem "stern" mitteilte, lud Wulff als Ministerpräsident persönlich am 30. Juni 2008 den Unternehmer Egon Geerkens zu einer offiziellen Delegationsreise nach China und Indien ein, die im Oktober 2008 stattfand. Kurz nach der Reise gewährte Geerkens' Ehefrau Edith dem Ehepaar Wulff einen zinsgünstigen Kredit über 500.000 Euro. Wulffs Anwälte gaben jetzt dem "stern" keine direkte Antwort auf die Frage, warum Wulff Geerkens damals einlud. Der Unternehmer sei "auf eigene Rechnung" dabei gewesen, teilten sie lediglich mit. Daher sei ihm "kein Vorteil gewährt" worden.

Kritik aus der CDU

Nach der versuchten Pressebeeinflussung durch den deutschen Bundespräsidenten Christian Wulff wird dessen Position immer ungemütlicher. Auch Politiker der Regierungskoalition in Berlin gehen jetzt zunehmend auf Distanz zu Wulff, der offenbar versucht hat, das Massenboulevardblatt "Bild" durch einen Drohanruf bei der Chefredaktion von Veröffentlichungen über seine Privatkreditaffäre abzubringen. Offene Kritik kam aus Wulffs CDU-Heimatorganisation Niedersachsen, aus der FDP und seitens der Journalistenverbände des Landes.

Die CSU-Landesgruppenchefin im Bundestag, Gerda Hasselfeldt, äußerte am Dienstag die Erwartung, dass Wulff in den kommenden Tagen zu den neuen Vorwürfen Stellung nehme. Sie sei sich sicher, dass Wulff die Vorwürfe überzeugend aufklären könne, sagte die Politikerin im Deutschlandfunk. Das könne aber nur er selbst. "Ich bin überzeugt davon, dass er nach einigen Tagen der Überlegung auch zu diesem Schluss kommen wird." Hasselfeldt betonte, sie wolle sich an einer öffentlichen Diskussion über einen derart hohen Amtsträger wie Wulff nicht beteiligen. "Jeder von uns kann sich über die Vorfälle selbst ein Urteil bilden." Es tue dem Amt nicht gut, wenn sich viele Politiker öffentlich mit Bewertungen beteiligten. Auf die Frage, ob Wulff auch Ende Jänner noch Bundespräsident sein werde, sagte Hasselfeldt: "Ich gehe davon aus."

Wulff zur Aufklärung aufgefordert

Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Holger Zastrow forderte Wulff zur Aufklärung auf. Die Vorgänge machten ihm auch Angst vor den bevorstehenden Diskussionen, sagte Zastrow im MDR. Wulff habe zwar Respekt verdient. "Aber er ist auch in der Pflicht, das aufzuklären." Er erwarte noch in dieser Woche eine Erklärung, sagte Zastrow. "Wenn es so sein sollte, dass er als Bundespräsident persönlich zum Hörer greift, einen Chefredakteur anruft, auf die Mailbox spricht, dann ist das nicht die Größe, die ich von einem Bundespräsidenten erwarte", bemerkte der FDP-Politiker.

In der niedersächsischen CDU wurde Kritik an Wulff laut. "Viele Parteifreunde haben bei mir angerufen. Alle äußerten sich negativ zu Wulffs Verhalten", sagte der stellvertretende Vorsitzende der Landtagsfraktion, Karl-Heinz Klare, der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung". "Die Leute wollten totale Aufklärung, sonst wird das Amt des Bundespräsidenten beschädigt." Zuvor waren neue Vorwürfe gegen Wulff in der Affäre um einen Privatkredit aus seiner Zeit als niedersächsischer Ministerpräsident bekanntgeworden. Die "Bild"-Zeitung bestätigte Presseberichte, Wulff habe in einem Anruf bei Chefredakteur Kai Diekmann versucht, einen Artikel über den Kredit zu verhindern und dem verantwortlichen Redakteur mit strafrechtlichen Konsequenzen gedroht.

Bundespräsidialamt schweigt

Während das Bundespräsidialamt in Berlin zu den Vorwürfen bisher schwieg, rügte der Deutsche Presserat das Vorgehen Wulffs. Die SPD gab ihre Zurückhaltung auf und übte erstmals scharfe Kritik an dem Präsidenten. Auslöser der Affäre ist ein zinsgünstiger Kredit über 500.000 Euro, den die Frau eines befreundeten Unternehmers Wulff 2008 gewährt hatte. Im niedersächsischen Landtag verneinte der damalige Ministerpräsidenten im Februar 2010 die Frage, ob er Geschäftsbeziehungen zu dem Unternehmer Egon Geerkens habe. Vor knapp zwei Wochen räumte Wulff dann erstmals ein, es sei ein Fehler, damals dem Landtag den Kredit der Unternehmergattin verschwiegen zu haben. (red/APA/AFP/Reuters)