Dass ich mit dem Jus-Studium begonnen habe, beruhte eigentlich auf einem Missverständnis: Ich interessierte mich für den Begriff der Gerechtigkeit", schildert Werner Zips, heute außerordentlicher Professor am Institut für Ethnologie der Uni Wien. Den Wurm ins Ohr gesetzt hatte ihm sein Vater, der wie der Großvater als Richter arbeitete. Zips selbst schwebte bei seiner Matura an einem Wiener Gymnasium eher noch das Bild des engagierten Anwalts vor, der für die Rechte der Angeklagten unerbitterlich kämpft. Und so stürzte er sich voller Elan in die Rechtswissenschaft, um bald festzustellen, dass sie ziemlich wenig mit Gerechtigkeit zu tun hat: "Die Lehrmeinung lautete, dass Gerechtigkeit nicht erkannt werden kann. Sie sei höchstens etwas für Gott."

Dieses "extrem ernüchternde und unbefriedigende" Erlebnis habe erstens dazu geführt, dass er das Studium möglichst schnell hinter sich haben wollte und das in nur fünf Jahren auch schaffte. Zweitens motivierte es Zips dazu, sich anderswo umzusehen - und zwar nicht nur inhaltlich, wo es ihm mit den Soziologen Jürgen Habermas und Pierre Bourdieu Denker einer politisch kritischen Schule angetan hatten, sondern auch örtlich: Der Jurist reiste nach Indien, Nordafrika, in die Türkei.

Besonders faszinierten ihn aber Reggae-Musik und die Ideologie der Rastafari, eine internationale Emanzipationsbewegung von Menschen, deren Vorfahren als Sklaven aus Afrika verschleppt wurden. Im Karibik-Schwerpunkt des Wiener Instituts für Ethnologie fand Zips schließlich seine zweite wissenschaftliche Heimat, wo der heute 44-Jährige die für ihn zentrale Frage erforschen konnte: Kann Recht Gerechtigkeit als Grundlage für Frieden vermitteln? Nach Antworten suchte der Ethnologe vor allem durch "Feldforschungen" in der Karibik und in Afrika. Schon in den 1980er-Jahren lebte er für längere Zeit in Jamaika, um die Maroon-und Rastafari-Kultur zu erforschen. Seine Dissertation widmete er dann auch dem Freiheitskampf und dem kulturellen Widerstand der "Schwarzen Rebellen" auf der Karibikinsel. Danach legte er seinen wissenschaftlichen Schwerpunkt auf die Untersuchung von rechtspluralistischen Systemen.

Auf Akzeptanzprobleme sei er bei seinen Reisen bisher noch nie gestoßen, erzählt der Ethnologe. Auf Jamaika beherrsche er die Landessprache, und in Afrika schlage er sich eben mit Englisch durch. "Obwohl es schon toll wäre, auch westafrikanische Sprachen wie Twi oder Ga zu erlernen." Die Feldforschungen erlauben es Zips auch, seinen, neben Mountainbiken und Karate, anderen beiden Hobbys zu frönen: dem Filmen und Fotografieren. Überhaupt genießt er den Umgang mit Medien und produziert regelmäßig Dokumentarfilme über seine Projekte. Dass sich das alles mit dem Privatleben vereinbaren lässt, liegt auch an den Interessen seiner Lebensgefährtin: Als Juristin mit Menschenrechtsschwerpunkt begleitet sie Werner Zips immer wieder auf seinen Reisen und sorgt mittlerweile auch für die fotografische Dokumentation. (Elke Ziegler/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 6. - 8. .6. 2003)