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Wien - Atomkraft auf ewig raus aus Europa - unter diesem Motto startet kommenden Dienstag in Österreich ein von Greenpeace initiiertes Volksbegehren. Manche Länder wälzen teilweise seit Jahrzehnten Pläne für Atomausstiegsszenarien, doch in den kommenden Jahren sollen 26 weitere Reaktoren entstehen. Zwischen umweltschützerischem Traum und Wirklichkeit liegen derzeit 72 Atomkraftwerke in Europa.

Österreich verabschiedete sich am 5. November 1978 in einer Volksbefragung mit knapper Mehrheit von der im eigenen Land produzierten Kernkraft, das fertige AKW Zwentendorf ging nie in Betrieb, das Atomsperrgesetz trat in Kraft. 25 Jahre später meint der Klubchef der Wiener Grünen, Christoph Chorherr: "Heute muss man Atomkraftbefürworter unter Naturschutz stellen."

"Atomausstieg? Absolut sinnlos", meint hingegen Professor Helmut Rauch, Vorstand des Atominstituts der Österreichischen Universitäten. "Die Fakten sprechen eine andere Sprache, Kernenergie ist weltweit die einzige Energieform, die Jahr für Jahr zunimmt." Österreich sei aufgrund seiner Topografie und seiner Wasserkraftmöglichkeiten nicht auf AKW-Strom angewiesen. "Doch selbst wir veredeln mit Atomstrom", so Rauch. Die Förderung von regenerativen Energieformen hält er zwar für sinnvoll, aber anderen Ländern "eine heile atomkraftfreie Welt vorzuspielen", sei Realitätsverweigerung. Rauch: "Österreich wird international belächelt."

EU-weit sind die Zugänge höchst unterschiedlich. Sechs Mitglieder (Österreich, Griechenland, Irland, Dänemark, Luxemburg und Portugal) haben nie ein AKW in Betrieb genommen. Italien hat vier in Bau befindliche Reaktoren in den 90er-Jahren abgerissen. Acht Nationen produzieren noch Atomstrom, drei von ihnen, Großbritannien, Frankreich und Finnland, wollen auch neue Meiler errichten.

Die zehn Neumitglieder sind ebenso gespalten. Estland, Lettland, Malta, Polen und Zypern sind atomfrei. Die Slowakei und Litauen haben versprochen, ihre Kraftwerke vorzeitig zu schließen. In Tschechien wurde dagegen gerade der Entwurf für die Energiepolitik bis 2030 veröffentlicht. Je nach Variante könnten bis zu acht neue Reaktoren gebaut werden - das inkludiert den Ausbau des AKW Temelín plus die Errichtung eines neuen Meilers.

Greenpeace-Chef Bernhard Drumel kritisiert, dass Österreich den EU-Atomkurs mittrage. Mit dem Volksbegehren, vom 10. bis 17. Juni soll die Regierung dazu gezwungen werden, in Brüssel mehr Druck für Atomausstieg zu machen. (DER STANDARD, Printaugsabe, 7.6.2003)