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Deutschlands Bundespräsident Wulff wird nun auch Einflussnahme auf Medien vorgeworfen.

Foto: REUTERS/Fabrizio Bensch

Berlin - Der deutsche Bundespräsident Christian Wulff hat in der Kreditaffäre offenbar persönlich massiven Druck auf Journalisten ausgeübt, um Enthüllungen zu verhindern. Die "Bild"-Chefredaktion bestätigte am Montag, Wulff habe in einem Anruf bei Chefredakteur Kai Diekmann dem verantwortlichen Redakteur mit strafrechtlichen Konsequenzen gedroht, sollte ein Beitrag über seinen umstrittenen Kredit veröffentlicht werden. Auch beim Chef des Springer-Verlages, Mathias Döpfner, hat er demnach von einem Staatsbesuch aus interveniert. Und selbst die Mehrheitsaktionärin des Verlages, Friede Springer, soll Wulff in seinem Versuch eingeschaltet haben, die unliebsame Veröffentlichung eines Privatdarlehens zu verhindern.

Während das Bundespräsidialamt zu den Vorwürfen schwieg, rügte der Deutsche Presserat das Vorgehen Wulffs. Die SPD gab ihre Zurückhaltung auf und übte erstmals scharfe Kritik an Wulff. Die Bundesregierung schwieg zu dem neuen Vorwurf.

Nachricht auf Mailbox

In einem im Voraus veröffentlichten Beitrag bestätigte die "Bild"-Zeitung, Wulff habe am 12. Dezember bei Diekmann angerufen und eine längere Nachricht auf dessen Handy-Mailbox hinterlassen. "Der Bundespräsident zeigte sich darin empört über die Recherchen zu dem Hauskredit und drohte unter anderem mit strafrechtlichen Konsequenzen für den verantwortlichen "Bild"-Redakteur", heißt es in dem Artikel.

"Bild" berichtet weiter, dem Bundespräsidenten sei zuvor Gelegenheit zu einer Stellungnahme zu den Vorwürfen gegeben worden. Wulff habe diese zunächst abgegeben, aber am 12. Dezember kurz vor Redaktionsschluss zurückgezogen. Der Artikel, der die Affäre um den Privatkredit maßgeblich ins Rollen brachte, erschien trotz der Intervention am nächsten Tag. Zwei Tage später habe Wulff erneut Diekmann angerufen und um "Entschuldigung für Ton und Inhalt" seiner Äußerungen auf der Handy-Mailbox gebeten, erklärte die "Bild"-Chefredaktion weiter.

Rubikon überschritten

Die "Süddeutsche Zeitung" und die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" hatten zuvor berichtet, Wulff habe in dem Telefonat mit einem endgültigen Bruch mit dem Springer-Verlag gedroht, falls der Bericht gedruckt werde. Für ihn "sei der Rubikon überschritten" habe Wulff gesagt. Wenn die "Bild"-Zeitung "Krieg führen" wolle, dann könne man darüber nach seiner Rückkehr sprechen.

Eine Sprecherin von Wulff erklärte, über Vier-Augen-Gespräche und Telefonate gebe Wulff grundsätzlich keine Auskunft. Zugleich beteuerte sie, die Pressefreiheit sei für ihn ein hohes Gut. Der Springer-Verlag bestätigte der "Süddeutschen Zeitung", Wulff habe auch mit Döpfner gesprochen. Der Verlagschef habe aber auf die Unabhängigkeit der Redaktion hingewiesen. "Cicero online" meldete, Wulff habe auch bei der Witwe des Verlagsgründers Axel Springer angerufen, um eine Veröffentlichung über den zinsgünstigen privaten Immobilienkredit zu verhindern. Friede Springer soll dabei die "kühle Auskunft" gegeben haben, dass sie keinen Einfluss auf ihre Chefredakteure zu nehmen pflege.

Der Deutsche Presserat wertete die Einflussnahme als sehr bedenklich. Wulff habe das Bild, das er in der Öffentlichkeit und in den Medien abgebe, selbst zu verantworten. Er habe sich mit dem Kredit angreifbar gemacht und nur auf intensive Nachfrage nach und nach informiert.

Die SPD ging weiter auf Distanz zum Staatsoberhaupt. Ein Präsident sollte nicht versuchen, eine kritische Berichterstattung zu unterbinden, sagte der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Hubertus Heil. "Die Salamitaktik muss ein Ende haben." SPD-Präsidiumsmitglied Ralf Stegner warnte im "Handelsblatt", Wulff habe nicht mehr viel Zeit, um Klarheit zu schaffen.

Der FDP-Bundestagsabgeordnete Erwin Lotter bekräftigte seine Forderung nach einem Rücktritt Wulffs. "Mit seinem kruden Verfassungsverständnis von Pressefreiheit hat sich Wulff endgültig für das Amt diskreditiert", erklärte er. Auch Journalistenverbände forderten, Prominente müssten sich eine kritische Berichterstattung als Teil der Meinungsfreiheit gefallen lassen.

Auslöser der Affäre ist ein Kredit über 500.000 Euro, den die Gattin eines befreundeten Unternehmers Wulff 2008 gewährt hatte. Im niedersächsischen Landtag verneinte der damalige Ministerpräsidenten im Februar 2010 die Frage, ob er Geschäftsbeziehungen zu dem Unternehmer Egon Geerkens habe. Vor knapp zwei Wochen räumte Wulff dann erstmals ein, es sei ein Fehler, damals dem Landtag den Kredit der Unternehmers-Gattin verschwiegen zu haben.

Einen Monat nach der Befragung im Landtag 2010 löste Wulff den Privatkredit durch ein Darlehen der BW-Bank ab. Dieses Darlehen soll weitaus günstigere Konditionen gehabt haben als üblich. In Medienberichten war von einem Zinssatz von höchstens 2,1 Prozent die Rede. Dieses Darlehen wurde durch einen neuen, langfristigen Kredit der BW-Bank ersetzt. Den Vertrag dazu unterschrieb Wulff drei Tage vor Weihnachten. Der SPD-Innenexperte Sebastian Edathy erklärte dazu, es sei "sehr bezeichnend, dass Wulff auf seinen zinsverbilligten Kredit bei der BW-Bank erst verzichtet hat, als dieser Kredit bekannt geworden war". (APA/Reuters)