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Die Pfeile des Amor sind nie ganz tödlich, weh tun sie aber trotzdem: Sunnyi Melles (als Ariel) und Roland Koch (als Maxwell) in "Eine Mittsommernachts-Sex-Komödie" nach Woody Allen.

Foto: APA/ANDREAS PESSENLEHNER

 Das Problem: Die Scherze allein tragen nicht.

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Wien - In der Idylle von Long Island ist einiges durcheinandergeraten. Drei Paare, für ein Wochenende hier im Grünen vereint, verlieren sich in einem von Geisterhand bewegten Gefühlschaos. Keiner weiß mehr, wen er/sie wirklich (noch) liebt und mit wem er/sie das Bett teilen soll.

Der mit Adrian (Dorothee Hartinger) verheiratete Andrew (Michael Maertens) schläft mit Ariel (Sunnyi Melles), von der er geglaubt hat, sie zu lieben, es nun aber doch nicht tut. Diese ist drauf und dran, den alten Leopold (Martin Schwab) zu heiraten, liebt aber in Wahrheit den Arzt Maxwell (Roland Koch), der seinerseits mit seiner jüngsten Eroberung Dulcy (Liliane Amuat) angereist kam.

Kein Wunder also, dass diese Herren und Damen, obwohl sie sich mitten im Grünen befinden, jede Gelegenheit nützen, um panisch "frische Luft zu schnappen". Ein kleiner Witz von Woody Allen, der in Anlehnung an Shakespeares Sommernachtstraum in seinem Film Eine Sommernachts-Sex-Komödie aus dem Jahr 1982 der Unbeholfenheit des Menschen im Umgang mit seiner Existenz lustige Beine macht. Die Tragik der gegenseitigen Verletzungen und Enttäuschungen lässt Allen mit Humor auf ein Minimum schrumpfen. Etwa verlegt sich Andrew, weil es im Bett nicht mehr so gut läuft, auf das Fliegen in der Luft. Mit selbst erfundenen, haarsträubenden Fluggeräten hebt er ab. Was leider weniger zu Höhen- als zu Sturzflügen führt.

In Matthias Hartmanns Silvester-Inszenierung zieht der Bruchpilot (Maertens in einer weiteren seiner Dicke-Brille-Rollen) dann seine schlappen Flügel übers Gras. Diese heiter anzusehende Tragik verliert sich im Verlauf des zweieinviertelstündigen Abends aber zusehends. Der durchaus ernste Kern der Komödie, die Nöte bürgerlicher Zwänge und Moral bzw. die alle Konventionen übersteigenden Sehnsüchte des Individuums, verschwinden alsbald hinter der schauspielerischen Blödelkunst des Starensembles.

(Un)durchdringlicher Wald

Dieser sich vor allem selbst gefallende Abend leidet aber auch an Schlampigkeit, die man selbst einer Silvestervorstellung nicht zumuten sollte. Textunsicherheiten und grobe bzw. verhuschte Handhabung von Requisiten nehmen dem Spiel einiges an Wirkung. Und die wäre trotz einer vor allem auf Choreografie reduzierten Regie, die die Filmvorlage auch optisch nachstellt (Jahrhundertwendekostüme von Tina Kloempken), möglich gewesen:

Martin Schwab verkörpert mit aller Steifheit, wie mittels eines unsichtbaren, rein physischen Korsetts, den sturen Naturwissenschaftler Leopold; Sunnyi Melles schwebt oder trippelt als grazile Schönheit durch den saftig-grünen Wald (bestehend aus Blätterwänden, die undurchdringbar scheinen, es aber nicht sind; Bühne: Stéphane Laimé) und dehnt die Vokale bei allen "Liiiiebes"-Angelegenheiten. Im engen, schwarz-weißen Strickschwimmanzug macht Roland Koch schließlich die körperliche Ebene des Themas anschaulich.

Mit aufragendem Schmetterlingsnetz galoppiert er durch den verzauberten Wald, und wenn er beim heimlichen Date am Fluss ertappt wird, dann täuscht er vor, Mooskulturen zu beobachten. Dorothee Hartinger obliegt die schwierige Rolle der Durchschnittsgattin, die in ihrer vorgeblichen moralischen Gefestigtheit aber dann selbst Entgrenzung anstrebt (und diese obendrein auch retrospektiv eingesteht).

Diese deutungsfreie, ganz auf Schabernack und Tollerei abzielende Inszenierung ist sich auch für ganz billige Witze nicht zu schade. Dazu gehört nicht zuletzt ein erigierter Baumstamm, der - Achtung - eine sich dahinter abspielende Kopulation andeutet.

Auch mag der mittlerweile populäre Silvesterwitz des Direktors in diesem Jahr kein gutes Licht auf den dann folgenden Abend geworfen haben. Es handelte sich dabei um einen sogenannten Frauenversteher-Witz, der in einer chauvinistisch geprägten Kunstsparte keine Überraschung ist, der aber leider nicht einmal lustig war. (Margarete Affenzeller, DER STANDARD - Printausgabe, 2. Dezember 2011)