Exstadtrat Görg: Eine "Blödheit", auf eine Steuer auf Umwidmungsgewinne zu verzichten.

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Wien - "Amüsiert" registriert Bernhard Görg die Forderung der SPÖ, eine Steuer auf Umwidmungsgewinne einzuführen. Vor rund 15 Jahren hat der einstige Wiener ÖVP-Chef nämlich selbst eine solche Abgabe gefordert. Gescheitert sei er am "energischen Widerstand" eines mächtigen Wohnbaustadtrates: Werner Faymann.

Auf die Idee gebracht hatte Görg, damals Vizebürgermeister und Planungsstadtrat, eine dreiste Anfrage eines Unternehmers: Die Gemeinde möge eines seiner Grundstücke doch bitte schön in Bauland umwidmen, damit er es teurer verkaufen könne. "Pervertierte Marktwirtschaft" nennt Görg diese Praxis, die "im großen Stil" stattfinde: Die öffentliche Hand beschere Privaten durch einen Hoheitsakt horrenden Vermögenszuwachs, während ihr selbst oft Ausgaben - von Straßenanbindung bis zum Kanal - entstünden. "Die Gewinne werden privatisiert, die Kosten sozialisiert", sagt Görg.

Mit 20 bis 25 Prozent wollte der damalige Stadtrat Widmungsgewinne besteuern - doch Faymann habe sein Veto eingelegt, weil er eine Verteuerung von Wohnraum gefürchtet habe. Für "Unsinn" hielt und hält Görg dieses Argument: Ein Grundstückseigentümer verkaufe immer zum bestmöglichen Preis, egal ob eine Steuer draufliege oder nicht.

Auf die Barrikaden stiegen freilich auch die eigenen Parteifreunde. Der Bauernbund forderte den Kopf des Wiener VP-Chefs, es hagelte wüste Kritik: "Geh' doch als Planungsstadtrat nach Moskau!"

Warum der bis heute hartnäckige Widerstand? In der ÖVP gebe es eben mehr Grundbesitzer als in anderen Parteien, sagt Görg, bleibt aber dabei: Es sei eine "Blödheit", auf die Widmungssteuer, die allein in Wien dreistellige Millioneneinnahmen pro Jahr verspreche, zu verzichten. "Ich bin überzeugter Marktwirtschaftler", versichert er, "aber manchmal braucht der Markt eine Peitsche."

Entgegen vielen ÖVP-Stimmen ist der ehemalige Politiker und Manager auch der Meinung, dass ein Drittel der Budgetsanierung durch Steuereinnahmen erfolgen sollte. "Dieser Beitrag muss von den Besserverdienern kommen", sagt Görg, "zumal die Spreizung der Einkommen in den vergangenen Jahren zugenommen hat".

"Kein Freund" ist Görg allerdings von Studiengebühren: "Ich verstehe den Enthusiasmus der ÖVP in dieser Frage nicht. Sie lösen das Grundproblem - die Unterfinanzierung der Universitäten - überhaupt nicht und sind eine temporäre Strafsteuer für den leistungsbereiten Mittelstand."(Gerald John, DER STANDARD, Printausgabe, 30.12.2011)