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Österreich hat das Lissabon-Ziel, wonach 50 Prozent der 55- bis 64-Jährigen im Arbeitsprozess sein sollten, noch immer nicht erreicht. 30 Prozent aller im erwerbsfähigen Alter treten in den Erwerbsprozess gar nicht ein, heuer verbucht die Pensionsversicherungsanstalt (PVA) laut deren Generaldirektor Winfried Pinggera erneut 70.000 Anträge auf Invaliditätspension. 10.000 Jugendliche haben nicht mehr als den Pflichtschulabschluss - und daher mit den Erfahrungen aus der Arbeitsmarktstatistik betrachtet sehr schlechte Chancen für einen ernährenden und erfüllenden Beruf. Und: Über Demografie, Finanzierbarkeiten von Pensionsleistungen wird immer heftiger gestritten.

Andererseits ist die Notwendigkeit, mehr Menschen länger und gesünder im Arbeitsprozess zu halten, das Bild der Arbeit weg von "Leid" hin zu "Sie ernährt, integriert, lässt wachsen" schon ein Stück vorangekommen. Anzusehen ist dieser Fortschritt etwa in den 22 Pilotunternehmen des Programms "Fit für die Zukunft - Arbeitsfähigkeit erhalten", das die Pensionsversicherungsanstalt (PVA) gemeinsam mit der Unfallversicherung AUVA und dem Weiterbildungsunternehmen ÖPWZ nun vier Jahre lang betreibt. Aufbauend auf dem Modell des "Hauses der Arbeitsfähigkeit" werden Firmen schrittweise zu jeweils adäquaten Maßnahmen gebracht, die ihre Belegschaft gern, motiviert und gesund die Kompetenzen einbringen lassen.

311 Maßnahmen sind nunmehr gesammelt und operationalisiert - sie reichen vom Neuaufsetzen spezifischer Arbeitsschutz-Maßnahmen (etwa bei Liebherr) bis zum Führungskräftetraining und dem Hinterfragen der "Bilder zum Alter", welche die Haltung zu Alter bestimmen.

Einstellungsreform

Programmleiterin Irene Kloimüller freut sich über die in der Vorwoche in Wien bei der "4. Enquete Arbeitsfähigkeit" präsentierten Erfolge, sagt aber: "Es braucht noch eine große Einstellungsreform." Besonderes Augenmerk will sie auf die Tatsache lenken, dass das Empfinden der eigenen Arbeit als "wertvoll und nützlich" im Laufe der Jahrzehnte erodiert. Bei Arbeitsfähigkeit gehe es immer um "das Gleichgewicht zwischen dem, was Leute dauerhaft leisten wollen und können, und dem, was der Betrieb verlangt". Dass diese Balance überwiegend mit fortschreitendem Alter kippt, ist gefühlte Wirklichkeit. Es lässt sich allerdings auch klar messen und evaluieren ("ABI" und "ABI+"). Unternehmen können sich mit diesen Instrumenten ansehen, wie sie zum Thema der Arbeitsfähigkeit in ihrer Belegschaft aufgestellt sind.

Diese Balance, die Passung, das zeigte der Fortschritt in den Pilotunternehmen, ist in jenen Organisationen am höchsten, in denen ergonomische Maßnahmen, individuelle Gesundheitsmaßnahmen und verbessertes Führungsverhalten gemeinsam in Angriff genommen wurden. "Blick auf die Zukunft der Altersstruktur", nennt etwa die Betriebsärztin der Liebherr-Gruppe, Regina Konzett, das Motiv des Schwergeräte-Erzeugers, die Organisation in allen Stockwerken zu beleuchten und Maßnahmen zu entwickeln - und ist damit repräsentativ für doch schon eine Reihe von Firmen, die beweisen können was es bringt, sich ernsthaft mit der Arbeitsfähigkeit der (künftigen) Belegschaft zu beschäftigen. (kbau/DER STANDARD, Printausgabe, 24./25./26.12.2011)