Vor Jahrmillionen zogen nashornartige Pflanzenfresser durch Nordamerika. Ein Klimawandel vertrieb sie.

Abbildung: Daniel Eskridge

Nordamerika im späten Eozän vor etwa 35 Millionen Jahren: Die Landschaft ähnelt in großen Gebieten dem heutigen Ostafrika, über riesige Savannen ziehen majestätische Pflanzenfresser wie das rhinozerosartige Megacerops coloradensis an. Diese Art und viele andere Spezies starben wenige Millionen Jahre später aus. Manche Paläontologen glauben, häufige Vulkanausbrüche hätten das Ende der Giganten besiegelt. Doch das scheint nun fragwürdig.

Ein Team aus spanischen und US-amerikanischen Forschern hat das Vorkommen von nordamerikanischen Großsäugergattungen – solche mit mindestens fünf Kilo Körpergewicht – während der vergangenen 65 Millionen Jahre im zeitlichen Verlauf analysiert und mit dem Eintreten klimatischer Veränderungen verglichen.

Als Maßstab für die globalen Temperaturveränderungen nutzten die Wissenschafter schwankende Konzentrationen des Sauerstoffisotops 18O, welches in den fossilen Gehäusen von Foraminiferen eingelagert ist. Je wärmer das Weltklima, desto weniger 18O ist im Ozeanwasser vorhanden und wird dementsprechend von den marinen Einzellern in ihren Panzer eingebaut.

Die Analysen der Arbeitsgruppe, die gestern im Detail im Fachmagazin PNAS online vorab veröffentlicht wurden, zeigen einen bemerkenswerten Zusammenhang zwischen Klima und Evolution. Zunächst jedoch stellten die Experten fest, dass im Gegensatz zu früheren Annahmen der nordamerikanische Kontinent im Verlauf der Jahrmillionen nicht von drei, sondern sechs Säugetierfaunen beherrscht wurde. Jeder davon hatte ihre eigene charakteristische Zusammensetzung und eine Blütezeit mit einer maximalen Artenvielfalt.

Ökologische Nischen

Der Werdegang dieser Tierreiche war der neuen Studie nach in mindestens vier von sechs Fällen eng mit großen klimatischen Veränderungen verbunden. Die nordamerikanische Säugetierfauna des Paläozäns entstand im Anschluss des Sauriersterbens vor 65 Millionen Jahren. Die Riesenechsen hatten massenweise leere ökologische Nischen hinterlassen, die es nun zu besetzen galt. Und genau das taten die Säuger. Mit großem Erfolg.

Zu Beginn des Eozäns vor etwa 55 Millionen Jahren jedoch erreichte das Weltklima den Höhepunkt einer kräftigen Erwärmung. Genau zu diesem Zeitpunkt starben immer mehr Tierarten der Paläozän-Fauna wieder aus. Neue Spezies traten auf, die frühe Eozän-Fauna entstand.

Ein solcher Wandel wiederholte sich der Untersuchung nach noch weitere vier Male, und immer in zeitlicher Nähe zu klimatischen Umwälzungen. Besonders klar scheint dieser Zusammenhang im Fall der nordamerikanischen Affenarten zu sein. Sie waren wärmeliebend und verschwanden während des Übergangs vom Eozän zum Oligozän, während einer Phase der Abkühlung.

Für zwei Faunenwechsel allerdings könnte auch ein weiterer Faktor eine entscheidende Rolle gespielt haben: Zuwanderung. Sowohl im späten Eozän als auch im Pliozän stand Nordamerika über Landbrücken zeitweilig mit dem Rest der Welt in Verbindung. Der Kontinent erlebte dabei regelrechte Tierinvasionen, die einerseits der lokalen Evolution neue Teilnehmer brachten, andererseits auch für das Aussterben vieler alteingesessener Spezies verantwortlich gewesen sein mögen.

Dennoch müsste dann auch zumindest die Pliozän-Fauna, deren Entstehung vor etwa 20 Millionen Jahren begann, als indirekte Folge einer Klimaentwicklung gelten. Niedrigere Temperaturen ließen damals den Meeresspiegel fallen. Die Beringstraße wurde trocken und machte so den Weg frei für Katzenartige, Antilopen, Kleinbären und Marderartige. Eine neue Epoche setzte ein. (DER STANDARD, Printausgabe, 28.12.2011)

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Wissen: Alter, in Jahrmillionen

Der Mensch erscheint, folgt man Max Frisch, im Holozän, also in den vergangenen 12.000 Jahren – in Schweizer Alpentälern. Die Menschwerdung begann um etliche Jahrzehntausende früher, doch das ist immer noch ein kurzer Zeitabschnitt im Vergleich zu den Phasen des Erdzeitalters, die in Jahrmillionen gemessen werden.

Die etwa viereinhalb Milliarden Jahre seit der Entstehung des Universums werden in vier Äonen unterteilt. Die drei älteren Abschnitte sind aufgrund kaum mehr zu rekonstruierender tektonischer Verschiebungen nur schwer zu bestimmen. Bleibt das Phanerozoikum, das vor ca. 540 Millionen Jahren mit dem Kambrium beginnt, als ältester Abschnitt des fast 300 Millionen Jahre währenden Paläozoikums. Auf dieses folgte das Mesozoikum und darauf, die vergangenen 65,5 Millionen Jahre, das Känozoikum.

Dessen jüngster Abschnitt, das Quartär, beschränkt sich auf 2,6 Millionen Jahre und wird seinerseits in Pleistozän und Holozän unterteilt. Das im Text oben genannte Eozän (ca. 56-34 Millionen Jahre her) ist Teil des ältesten Känozoikum-Abschnitts, des Paläogens. (red)