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Geschäfte, die keine Frauen anstellen, Reklametafeln ohne Frauenbilder, Frauen, die aus Rücksicht auf religiöse Männer das Training im Fitnessclub abbrechen müssen und Busse, in denen Männer vorn sitzen und Frauen hinten: Das ist die ultraorthodoxe Seite Israels.

Foto: AP/dapd/Oded Balilty

Sogar der Staatspräsident rief dazu auf, Dienstagabend zur Demonstration nach Bet Schemesch zu kommen: "Wir alle müssen das Wesen des Staates Israel gegen eine Minderheit verteidigen", sagte Shimon Peres, "die sollen selbst den Gehsteig wechseln, kein Mensch hat das Recht, ein Mädchen oder eine Frau zu bedrohen." Die Debatte über die "Ausgrenzung der Frauen" war am Wochenende durch einen Fernsehbericht angefacht worden, der zeigte, wie fanatisch-religiöse Juden in der Stadt Bet Schemesch bei Jerusalem sogar ein achtjähriges Mädchen terrorisierten. Die kleine Naama Margulese, die ohnehin religiös ist, fürchtet sich vor dem Schulweg, auf dem sie bespuckt wurde, weil sie nicht "züchtig" genug gekleidet sei. Auf einer Straße war auch ein Schild mit der Anweisung angebracht, dass Frauen den einen Gehsteig benützen sollten und Männer den anderen.

Das Schild wurde von der Stadtverwaltung abgesägt, aber von den Extremisten wieder montiert, es gab Tumulte, als die Polizei Ultraorthodoxe verhaftete, und mehrmals wurden Fernsehteams attackiert. Das Thema, wie Religiöse und Nichtreligiöse im jüdischen Staat zusammenleben sollen, beschäftigt Israel seit seiner Gründung, war aber in den vergangenen Wochen wieder besonders heiß geworden. Ein Auslöser war etwa der Versuch von Religiösen zu verhindern, dass Soldatinnen bei militärischen Zeremonien im Chor mitsingen - nach einer religiösen Auslegung ist es nämlich unmoralisch, wenn Männer den Gesang von Frauen hören.

Medien berichteten, in Jerusalem würden auf Reklametafeln nur Männer und keine Frauen zu sehen sein, Geschäfte, in denen viele streng Religiöse einkaufen, würden keine Frauen anstellen, und Frauen wären aufgefordert worden, aus Rücksicht auf religiöse Männer das Training im Fitnessclub abzubrechen. Es ist außerdem üblich, dass in Bussen, die streng religiöse Viertel von Jerusalem durchqueren, Männer vorn sitzen und Frauen hinten. Vor zehn Tagen gab es aber viel Aufsehen, als eine junge Frau schon bei der Abfahrt im fernen Aschdod von einem Ultraorthodoxen aufgefordert wurde, nach hinten zu wechseln - die 28-jährige Tanya Rosenblit wurde zu einer Art Volksheldin, weil sie sich nicht einschüchtern ließ und vorn neben dem Fahrer sitzen blieb.

Die Vorfälle in Bet Schemesch haben nun quer durch die politischen Lager das Gefühl ausgelöst, dass eine Grenze überschritten wurde. "Wir werden jeden festnehmen, der handgreiflich wird", sagte Premier Benjamin Netanjahu. (Ben Segenreich/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 28.12.2011)