"Man möchte lieber irgendwohin, selbst wenn es auf Risiko geht": Ein aktuelles, titelloses Gemälde von Walter Vopava.

Foto: Armin Plankensteiner

Der Künstler Walter Vopava.

Foto: M. Gasser / VBK

Krems - Silbrig, warmes Licht, das sich an dunklen Kanten bricht. Nebeliges Grün, staubig und fahl vor einer dunklen Ecke stehend. Gleißend helles Strahlen, das hinter einer tiefschwarzen Raumflucht hervorquillt. Ein rosafarbenes, unwirkliches Schimmern, das über der Düsternis wabert. Licht und Schatten.

Gegen die suggestive Kraft von Walter Vopavas Bildern anzukommen ist nahezu unmöglich. Statt die sich überlagernden, konturlosen, mal pastosen, mal lasierenden Flächen, die geschichteten Farbstrukturen für sich allein zu betrachten, drängen sich Erfahrungen aus gegenständlichen Erscheinungswelten auf: wie mit der Kamera aufgenommene Wirklichkeitsausschnitte, da die Flächen weit über die Grenzen der Leinwand hinauszustreben scheinen. Die menschliche Gabe zur Vorstellung - ist sie in diesem Fall Fessel oder Geschenk?

"Es ist nicht Licht und Schatten. Denn das hat schon so eine gegenständliche, realistische Idee", sagt der 1948 in Wien geborene Künstler, der am 24. Jänner mit dem Österreichischen Kunstpreis 2011 (ehemals Würdigungspreis) ausgezeichnet wird. Vielmehr geht es ihm um "die Möglichkeit, über Hell und Dunkel überhaupt zu artikulieren."

Vopava interessiert die Darstellung von Unterschiedlichkeit, Ideen von Trennung und Verbindung; er erforscht Kräfteverhältnisse, variiert Kontrast, Farbdichte und die Größe der Flächen. Das zeigt sich auch in den neuesten Arbeiten des 63-jährigen wechselweise in Wien und Berlin arbeitenden Künstlers. In der Kunsthalle Krems sind aktuell neun großformatige Leinwände (die größten messen drei mal zwei Meter) aus den Jahren 2010 und 2011 zu sehen.

Vor den Betonwänden, die den Raum wie eine Festung nach außen abzuschotten scheinen, wirkt die räumliche, geradezu urbane architektonische Vision der Bilder umso stärker. Aber Vopavas gegenstandslose Malerei hat keine Hintergründe im Gegenständlichen, sie abstrahiert keine Naturbeobachtungen. "Es geht nicht um irgendeinen Realraum". Zugleich sei das Bild - so sehr man sich auch reduziere - nicht ohne dessen Gesetze denkbar: "Wenn ich zwei Flächen zueinander lege, habe ich bereits unterschiedliche Raumdimensionen."

Vopavas über Jahrzehnte konsequent verfolgtes, konzeptuelle Schaffen, entwickelt sich aus sich selbst: "Die Erfahrungswerte des vorherigen, aus denen entsteht das nächste". Auch sind die Bilder keine endgültigen, "selbst wenn man zu einem relativen oder guten Ergebnis kommt", erklärt der Maler. "Eigentlich ist das nächste Bild, das Spannende, was einen weitertreibt." Für das zu Vermeidende findet Vopava noch einen anderen Vergleich: "Eine Symmetrie erneuert sich nicht mehr. Sie ist geklärt und damit nicht mehr am Leben."

"Man möchte nicht das wiederholen, was schon längst durchgekaut ist", sagt Vopava. Er weiß wovon er spricht. Als er zu Beginn seiner Karriere zu dieser Erkenntnis kam, zog er sich, trotz positiven Kritiken, erst einmal zurück, erfand sich neu.

Heute, mit den gesammelten Erfahrungen könnte man oft zu besseren Ergebnissen kommen, sagt Vopava, aber das sei langweilig. "Man möchte lieber irgendwohin, selbst wenn es auf Risiko geht." Freilich sei es lästig - und auch ermüdend - wenn es nicht funktioniert. "Wenn ich aber irgendwelche Fortschritte sehe, kann ich auch 14 Stunden durchhalten."

Aus der dunklen Atmosphäre seiner sich selbst genügenden Bilder leuchtet jeder Partikel Farbe besonders intensiv heraus, kitzelt die Sinne. Und doch geht es Vopava auch nicht um die Farbe als emotionalem Wert oder um ihre Relation zu einer anderen, "sondern inwieweit die Farbe gebrochen oder in ihrer Aussage nicht ganz eindeutig ist". Eine analytische Malerei? Vopava widerspricht: "Da wüsste man eine genaues Rezept, oder hätte eine genaue kausale Überlegung." Egal welche Theorien oder Philosophien dahinter stecken - ihr Wert würde sich erst auf der Leinwand bewahrheiten. Und so entwickelt er zeichnerisch auch keine konkreten Kompositionen, sondern nutzt die Skizzen um sich Klarheit über Verbindungen und Relationen von Farben und Flächen zu verschaffen. Vor der Leinwand tritt Intuition hinzu.

Das Anliegen der Malerei sei seit den Anfängen gleich geblieben, sagt Vopava. Nicht das Motiv, sondern die optische Konstellation gebe den Ausschlag. Jan van Eyck habe das meisterlich verstanden, nur war man damals noch an den Gegenstand gebunden. "Nach meinem Empfinden geht es heute auch ohne den Gegenstand. In gewisser Weise vielleicht sogar effizienter." Vopavas Verpflichtung gegenüber dem Gegenstandslosen ist geradezu politisch: Bürgerlich, harmlos, weltfremd sei die realistische Malerei dieser Tage. Und erklärt: "Das System hat gerne etwas, was es kontrollieren kann." In diesem Sinne sei "die Gegenstandslosigkeit schon fast so wie Parteilosigkeit." (Anne Katrin Feßler / DER STANDARD, Printausgabe, 28.12.2011; Langfassung)