Haflingerstute Anni im Computertomografen der Vetmed-Uni. Diagnose: Zahnschmerz wegen einer Nasennebenhöhlenentzündung.

Foto: www.corn.at

Rektorin Sonja Hammerschmid bei einem Patienten in der Klinik für Wiederkäuer: "Wir kriegen die schwierigen Fälle."

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Wien - Der Cyprinus carpio landet über die Feiertage traditionell auf vielen Tellern. Dass mit dem Karpfen zu Weihnachten alles seine Ordnung hat, ist auch ihnen zu verdanken: den Wissenschaftern an der Veterinärmedizinischen Universität Wien (Vetmed). Denn eines der Forschungsgebiete an der Klinik für Geflügel, Ziervögel, Reptilien und Fische sind Viruserkrankungen, mit denen die Karpfenteichwirtschaft kämpft.

Aber auch jedes Schnitzel, jede Wurstsemmel, jeder Kalbsbraten - ausnahmslos jedes tierische Lebensmittel - geht durch die Hände eines Veterinärmediziners. Oder wie Rektorin Sonja Hammerschmid den Kreislauf erklärt: "Gesunde Nutztiere sichern gesunde Lebensmittel und damit gesunde Menschen." In diesem Sinne sei die Vetmed eine "Gesundheitsuniversität" - deren Veterinärmediziner bei diversen Krisen, die mit Lebensmittelsicherheit - Ehec, Listerien, Vogelgrippe - zu tun haben, beim öffentlichen Krisenmanagement natürlich "immer mit am Tisch sitzen".

Tiermedizin ist Frauensache

Veterinärmediziner muss eigentlich Veterinärmedizinerin heißen, denn es gilt: Frau Doktor und das liebe Vieh. Tiermedizin ist Frauensache. 82 Prozent (1806) der 2214 Studierenden an der Vetmed sind Frauen, und diese Verteilung ist europaweit ähnlich. So wie das Problem, dass viele von der idyllischen Kleintierpraxis träumen und die Versorgung mit Nutztier-Tierärzten langsam gefährdet sowie die Rekrutierung von Forschern sehr schwierig ist.

Alle Studierenden an der Vetmed müssen sich einem Auswahlverfahren stellen. Die Chance auf einen der 260 Anfängerplätze (200 Tiermedizin, 30 Biomedizin/Biotechnologie, 30 Pferdewissenschaft) ist bei 1800 Bewerbern pro Jahr ungefähr eins zu sieben. Dazu kommen 15 Plätze im englischsprachigen Masterstudium Biomedizin, das Tiermediziner-Doktorat und PhD-Studien. Ein Master-Studium zur "Mensch-Tier-Beziehung" ist geplant.

ÖH-Vorsitzender auf der Vetmed

Anders als für die Humanmedizin gilt für Tiermedizin die von der EU genehmigte Quotenregelung, die 75 Prozent der Studienplätze für Österreicher reserviert, nicht. Der Anteil ausländischer Studierender an der Vetmed liegt bei 33 Prozent.

Einer von ihnen ist ÖH-Vorsitzender Max Winkler, der im siebenten Semester Veterinärmedizin studiert. Er wollte nicht die in Deutschland üblichen sechs Jahre auf einen Tiermedizin-Studienplatz warten und kam so nach Österreich an eine Uni, von der er in den höchsten Tönen schwärmt: "Ein bisschen wie eine Insel" sei die Vetmed, das Studium "anspruchsvoll, interessant und sehr lebensfroh, eine gute Mischung aus Theorie und Praxis", die Studienbedingungen ideal. Kleingruppenarbeit bedeutet: Fünf angehende Tierärzte arbeiten mit vier Kühen. Und dann ist da noch "ein Rektorat zum Anfassen: Man nimmt uns ernst", sagt Winkler.

Budget: rund 100 Millionen Euro

Das Auswahlverfahren stellt an der Vetmed niemand infrage. Die Studierenden sind froh über die dadurch gesicherten Rahmenbedingungen für ihre Ausbildung. Und für die Rektorin macht die Zugangsbeschränkung die Uni "planbar". Sonja Hammerschmid, eine Biologin, leitet die Vetmed seit 2010 und verwaltet ein Budget von rund 100 Millionen Euro, für Forschung eingeworbene Drittmittel kommen noch dazu.

Der regulierte Zugang ist auch die Voraussetzung dafür, dass die Vetmed ihre internationale Zertifizierung nicht verliert: "Sonst gilt unser Abschluss im Ausland nicht." Bedingung für die "andere Qualität der Ausbildung" an der Vetmed ist ein Betreuungsverhältnis von maximal einem Lehrenden zu zehn Studierenden. 577 der 1086 Vetmed-Mitarbeiter sind wissenschaftliches Personal, davon 37 Professoren.

Im Zentrum: "das gesundes und kranke Tier"

An der Vetmed steht "das gesunde und das kranke Tier" im Mittelpunkt. So wie Spanieldame Wicky im Vorzimmer der Rektorin quasi zum Staff gehört, so selbstverständlich sind (registrierte) Hunde der Studenten auf dem Campus. Auch das erste Studentenheim, in das Tiere einziehen dürfen, steht nahe der Vetmed.

Das ist aber nicht alles: In den Höfen entlang der "Kleintierstraße" auf dem Uni-Areal staksen Ziegen in ihrem Outdoor-Stall herum, mümmeln Schafe frisches Heu, schnauben Pferde leise in der winterlichen Luft.

Maria Theresias Rosskuren

Überhaupt hat alles angefangen mit Pferden. Maria Theresia ordnete 1765 die Gründung der weltweit dritten und im deutschsprachigen Raum ersten Veterinärschule an. Zugeordnet war die "K.K. Pferde-Curen- und Operationsschule" dem Militär. Dort gab es - neben der von Tierseuchen geplagten Landwirtschaft - den größten Bedarf an Veterinären. Die Armeen brauchten für die Kriegsführung viele gesunde Pferde. 1975 wurde aus der ehemaligen Militärschule, die seit 1897 Hochschule war, die Veterinärmedizinische Universität Wien.

Heute verfügt sie über ein rund um die Uhr besetztes, auch für private Tierhalter offenes Tierspital mit fünf Kliniken für Kleintier- bis zu großen Wiederkäuer-Patienten. "Wir kriegen die schwierigen Fälle, die attraktiv für die Wissenschaft sind", sagt die Rektorin.

Anni etwa. Mit geschwollener Backe. In fünf Minuten sinkt die elfjährige Haflingerstute aus dem Marchfeld in einen Schlummer und wird in den größten und modernsten Computertomografen Österreichs geschoben. Kurze Zeit später weiß das Vetmed-Team, wo das Weh liegt. Mehrere Zähne sind in eine Nasennebenhöhlenentzündung involviert.

Studieren, operieren, Stalldienst

Simone Steiners Patienten in der Wiederkäuer-Klinik nebenan bleiben auch über Nacht. Die junge Tierärztin mit Forschungsgebiet Magen-Darm-Erkrankungen betreut mit ihren Studierenden im Jahr mehr als 700 Patienten, darunter zum Beispiel eine Kuh nach einer komplizierten Augen-OP oder Kälbchen aus dem Waldviertel, die Durchfall auskurieren.

Das alles ist Vetmed: studieren und lehren, operieren und heilen, forschen und - Stalldienst. Auch für die Rektorin. Die Gummistiefel stehen im Büro immer bereit. (Lisa Nimmervoll, DER STANDARD, Printausgabe 24./25./26.12.2011)