Lymph-Penisse wie jener des Straußes dürften bereits die Reptilien besessen haben.

Foto: P. L. R. Brennan & R. O. Prum

New Haven / Wien - Unter Vögeln ist die Existenz eines Penis nicht allzu weit verbreitet. Nur bei rund drei Prozent der Federtierspezies verfügen die Männchen über ein solches Organ. Dazu gehören die Enten, aber auch Afrikanische Strauße oder die Kiwis in Neuseeland. Im Normalfall paaren sich die Tiere nämlich mit einem kurzen "Kuss der Kloake", bei dem Samen durch die Körperöffnung ans Weibchen weitergegeben wird.

Für besonderes evolutionäres Rätselraten sorgten die Geschlechtsorgane der großen Laufvögel, denn bei ihnen kommt es - ganz ähnlich wie bei den Säugetieren - zu einem Anschwellen der Penisse. Das wurde spätestens 1836 das erste Mal in einer Studie am Afrikanischen Strauß dokumentiert. Damals machte man mehr Blut in Blutgefäßen dafür verantwortlich.

Seitdem befassten sich nicht allzu viele Ornithologen mit diesem seltsamen Phänomen der Vogelanatomie. Im Jahr 1923 freilich erschien eine Studie, die Lymphe und nicht Blut als die Flüssigkeit beschrieb, die hinter oder besser: in der Erektion steckt. Und fast hundert Jahre später konnte diese These nun durch ein US-Biologenteam bestätigt werden.

Um die Frage zu klären, haben die Forscher um Patricia Brennan und Richard Prum die Penisse von drei Emus und einem Strauß genau unter die Lupe genommen und dabei herausgefunden, dass die Vögel unter den Muskeln ein lympheproduzierendes Gewebe haben, wie die Forscher im Journal of Zoology berichten.

Weil es diesen Mechanismus auch bei Enten gibt und er bei Reptilien durchaus ähnlich ist, dürften die gemeinsamen Vorfahren aller Vögel über solche Lymph-Penisse verfügt haben. In dieser Erkenntnis liegt erhebliche Sprengkraft: Sie bedeutet nämlich, dass Penisse - so wie bei 97 Prozent der Vögel - im Laufe der Evolution verlorengehen können, ohne dass die Art aussterben muss. (tasch/DER STANDARD, Printausgabe, 22.12.2011)