Die US-Charakterdarstellerin macht daraus eine beiläufige Verhaltensstudie.

Wien – Das Kino ist ein langsames Medium. Nicht selten wird es von äußeren Entwicklungen überholt, und die Bilder, die es auf die Leinwand projiziert, wirken dann in diesem Moment schon ein bisschen anachronistisch. Im Falle von Ruba Naddas Filmerzählung Cairo Time hat es von der Fertigstellung 2009 bis zum Kinoeinsatz im deutschen Sprachraum zwei Jahre gedauert. Der Titel des Films, der eigentlich nur ganz knapp und nüchtern ein Thema umreißt, bekommt dadurch plötzlich eine vielsagende Note: Die Zeit, die er behandelt, ist in Wirklichkeit an ihr Ende gekommen – und von Kairo als touristischer Destination wird inzwischen abgeraten.

Cairo Time beginnt mit einer Ankunft am Flughafen, eine blonde Amerikanerin wird nicht wie erwartet von ihrem Ehemann in Empfang genommen. Der UN-Mitarbeiter hat einen alten einheimischen Freund geschickt, Tareq (Alexander Siddig) wird Juliette (Patricia Clarkson) in ihr Hotel begleiten. Dort wird sie auf die Rückkehr ihres Mannes aus Gaza warten. Eigentlich war ein gemeinsamer Urlaub in Ägypten geplant.

Der Film erzählt von jenen Tagen, die Juliette alleine in Kairo verbringt. Er entwirft dabei primär das Porträt einer Frau an einem Wendepunkt: Die Kinder sind erwachsen. Juliette, die als Journalistin für ein New Yorker Hochglanzmagazin arbeitet, und ihr Mann sind einander aufgrund der räumlichen Distanz offenbar ein Stück weit fremd geworden. In der Zeit, die sie an dem ihr unbekannten Ort nun gezwungenermaßen alleine verbringen und selbst organisieren muss, gilt es, sich auch über die Zukunft klar zu werden.

Das ist nicht übermäßig originell. Hauptdarstellerin Patricia Clarkson, eine bewährte Charakterdarstellerin, die zuletzt unter anderem für George Clooney (Good Night, and Good Luck), Martin Scorsese (Shutter Island) oder Woody Allen (Vicky Cristina Barcelona und Whatever works) vor der Kamera stand, macht daraus aber eine nuancierte kleine Verhaltensstudie.

Jetlag und Unbedarftheit

Eine Reihe von Episoden beschreibt anfängliche Irritation und Jetlag, westliche bourgeoise Unbedarftheit und Neugier, Klischees und konkrete Erfahrungen. Aus solchen Szenen formt sich allmählich ein Porträt, das jedoch angeschnitten bleibt. Vermittelt wird vor allem der Eindruck einer Verlorenheit, in welcher Juliette und Tareq einander letztlich verbunden sind.

Cairo Time ist der vierte Spielfilm von Regisseurin Ruba Nadda, in Toronto aufgewachsene Tochter syrisch-palästinensischer Eltern. Schon in ihren Kurzfilmen – Ende der 1990er-Jahre unter anderem Gegenstand eines Viennale-Specials – ging es um Blickregimes und um produktive Auslassungen, die das Publikum selbst ergänzen konnte. Auch in Cairo Time bleibt die Begegnung flüchtig, die Erzählung fragmentarisch. (Isabella Reicher, DER STANDARD – Printausgabe, 22. Dezmeber 2011)