Bild nicht mehr verfügbar.

Oft dem Abstrakten zugeordnet, doch nie ganz von der figurativen Malerei entfernt: Willem de Kooning. Hier sein Bild "Woman I" (1950-52).

Foto: MoMA, N.Y./AP/dapd

Der Sammler und seine Objekte (von links unten im Uhrzeigersinn): Arbeiten von Charles Demuth, Arthur Dove und Georgia O'Keeffe; Alfred Stieglitz, fotografiert von Edward Steichen.

Poster: Metropolitan Museum

Willem de Kooning war einer der großen amerikanischen Maler, dem abstrakten Expressionismus zugerechnet, der nach dem Krieg die Kunstwelt beherrschte. Was damals irritierte, dient heute als Anschauungsmaterial. Es belegt den Einfluss, den er und seine Kollegen auf nachfolgende Generationen hatten, auch im Widerstand (Pop-Art, Fotorealismus), und es ist Geschichte geworden wie die Kategorie der modernen Kunst selbst.

Dem entsprechend hat das Museum of Modern Art in New York, das eine umfassende Sammlung seiner Werke besitzt, de Kooning eine große Retrospektive gewidmet. Fast 200 Arbeiten füllen den gesamten sechsten Stock des Hauses. Sie reichen von Zeichnungen des gerade 16-jährigen, 1904 in Rotterdam Geborenen - Stillleben etwa, die er in Abendkursen übte - bis zu den späten Variationen seiner Lieblingsthemen. Das waren immer wieder Figuren, Frauen insbesondere. Seine Serien Woman, ob "seated", stehend oder kaum mehr in irgendeiner Position erkennbar, markieren den Fortgang des Künstlers von verhalten naturalistischen zu immer expressiveren Formen.

Den konkreten Bezug allerdings gab er nie ganz auf. Nur als er in den späten Vierzigerjahren wilde, an Pollock erinnernde Attacken auf die Leinwand ritt, feierte ihn der damalige Kritikerpapst Clement Greenberg als reine Emotion, einem Beethoven-Quartett vergleichbar: als abstrakten Expressionisten.

Doch de Kooning ließ sich nicht von der Modeströmung (nachzulesen bei Tom Wolfe, Das gemalte Wort) vereinnahmen und kehrte zum Figurativen zurück und zum Experimentieren, das er betrieben hatte, seit er 1926 als blinder Passagier nach New York kam. In den Siebzigern arbeitete er an Bronzeskulpturen, widmete sich der Kalligrafie, entdeckte neue Farben für sich und die Schönheit eines unbeabsichtigten Zeitungsdrucks. Kulturpolitisch korrekt war er nie, auch nicht in der Phase seiner langen Krankheit, die 1997 zu seinem Tod führte.

Dass er fast bis zum Schluss produktiv blieb, ist eine bisher unterschätzte Seite an de Kooning. Das MoMA rückt sie ins Licht und feiert einen Blockbuster. Die Schlange vor dem Museum ist so lang wie an den umliegenden Kaufhäusern kurz vor der Öffnung, von Abercrombie & Fitch bis Zara, die aus der Fifth Avenue auf der Höhe der Fünfziger-Straßen eine Shoppingmeile machen - ob für Kleider oder Kunst.

Polyfonie des Technischen

Weniger überlaufen, aber sicher so spannend wie die MoMA-Schau ist Stieglitz and his Artists - Matisse to O'Keeffe im Metropolitan Museum, 30 Straßen weiter oben an der Fifth Avenue.

Am bekanntesten von Alfred Stieglitz (1864-1946) sind seine Aufnahmen vom Manhattaner Flatiron Building in der Dämmerung geworden. Doch er war nicht nur Fotograf, sondern vor allem Sammler, Galerist und Promoter der Kunst seiner Zeit - bzw. seiner Zeit voraus. In seine Little Galleries of the Photo-Secession, nach der Hausnummer an der Fifth "291" genannt, holte er ab 1905 die europäische Avantgarde von Kandinsky bis Picasso und konfrontierte sie mit amerikanischen Zeitgenossen, noch vor der legendär gewordenen Armory Show 1913.

Die US-Künstler reagierten auf die Impulse und auf die rasante Urbanisierung überwiegend positiv. Es entstand eine Polyfonie des Technischen, in der etwa das neogotische Woolworth-Hochhaus als die sprichwörtliche Kathedrale des Konsums gefeiert werden konnte. John Marin, Arthur Dove, Charles Demuth, der Fotograf Edward Steichen zählten zu den Künstlern, die Stieglitz förderte. Wegen der Malerin Georgia O'Keeffe ließ er sich scheiden, die beiden verband eine langjährige, oft schwierige künstlerische Entwicklung.

Es ist auch eine Schau darüber, welche Kanäle der Kunstwelt Akquisitionen förderten, welche persönliche Verbindungen von Mäzenen dazu führten, dass etwa Matisse bereits 1910 in diesem Museum ausgestellt wurde, und wie sich die amerikanische Kunstszene langsam von der europäischen emanzipierte. Es zeigt hervorragende frühe Exemplare von Stieglitz' Zeitschrift Camera Works und lässt auch nicht den Bedeutungswandel bzw. teilweisen -verfall aus, den die 291 und nachfolgende Galerien bis in die Vierzigerjahre durchmachten.

Ein separater Teil zeigt die Sammlung von Stieglitz, mit der das Metropolitan 1928 seine Fotografiesammlung begann: großartige frühe Arbeiten, die paar Extraschritte wert. (Michael Freund, DER STANDARD - Printausgabe, 22. Dezember 2011)