Nach Protesten über mögliche Kürzungen beim Budget für die Universitäten und (wieder) schlechten Ergebnissen bei der PISA-Studie rief die Regierung das Jahr 2011 zum "Jahr der Bildung" aus. derStandard.at hat sich angesehen, welche Reformen bei Schulen und Universitäten vorangetrieben wurden, wo SPÖ und ÖVP noch streiten und wo gar nichts weitergegangen ist.

Die geplante Abschaffung der Hauptschulen und die flächendeckende Einführung der Neuen Mittelschule (NMS) ist wohl die größte Reform im Bildungsbereich. Die NMS gibt es bereits seit dem Schuljahr 2008/09. Zentraler Punkt dabei ist, dass Schüler und Schülerinnen bis zur achten Schulstufe gemeinsam unterrichtet werden. Die Gymnasien bleiben bestehen. Wurde 2010 noch darüber gestritten, ob mehr als zehn Prozent der Schulen Neue Mittelschulen werden dürfen, haben sich die Koalitionspartner im "Jahr der Bildung" darauf geeinigt, dass alle Hauptschulen zur NMS umgewandelt werden sollen. Das Gesetz passierte bereits den Ministerrat. Der Lehrstoff an der NMS soll in den Pflichtfächern in "grundlegende" und "vertiefte" allgemeine Bildung aufgeteilt werden. Ein Übertritt an die AHS oder BHS ist dann möglich, wenn die Bildungsziele der viertieften allgemeinen Bildung in den Pflichtfächern erreicht wurden. Die Möglichkeit einer Aufnahmeprüfung besteht zwar immer, trotzdem befürchten Experten, dass ein Übertritt von der NMS auf eine AHS schwerer werden könnte, als bisher. Auch die (wenn auch zeitlich begrenzte) Aufteilung der Schüler in jene, die den grundlegenden Stoff lernen und jene, die in der vertieften Allgemeinbildung unterrichtet werden, wird kritisiert.

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Bereits ab dem nächsten Schuljahr werden stufenweise Bildungsstandards eingeführt. Dabei sollen Kompetenzen, die Schüler und Schülerinnen in der vierten bzw. achten Schulstufe erreichen müssen, anhand von standardisierten Aufgabenstellungen überprüft werden. Unter Kompetenzen versteht man "Fähigkeiten, Fertigkeiten und Haltungen, die für weitere schulische und berufliche Bildung von zentraler Bedeutung sind." Die Standards werden in den Fächern Mathematik, Deutsch und Englisch (nur in der achten Schulstufe) eingeführt. Entwickelt werden die Aufgaben vom Bifie (Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung). Diese Reform soll vor allem eine objektive Überprüfung von Schülerleistungen bringen und diese auch vergleichbar machen. Ab dem Schuljahr 2013/2014 sollen die Bildungsstandards österreichweit eingeführt sein, erhofft werden dadurch auch bessere Ergebnisse bei der PISA-Studie.

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Eine ähnliche Konzentration auf standardisierte Kompetenzüberprüfung soll es bei der neuen teilzentralen Matura geben. Auch hier werden die Aufgabenstellungen zentral vom Bifie vorgegeben. Geplant ist es, die Schüler und Schülerinnen an den AHS ab dem Jahr 2014 zentral zu prüfen, an den BHS soll die Reform 2015 eingeführt werden. Das würde heißen, dass jene AHS-Schüler, die jetzt die sechste Klasse besuchen, bereits nach den Vorgaben der neuen Matura geprüft werden. In den vergangenen Wochen hat sich jedoch Widerstand gegen diesen Plan von Seiten der ÖVP geregt. Nach Protesten von Schülervertretern, Lehrern und Eltern regte ÖVP-Bildungssprecher Werner Amon an, die Einführung der standardisierten Matura zu verschieben. Es gäbe "gravierende Probleme bei den Vorbereitungen auf die neue Deutsch- oder Mathematikmatura" und solange diese nicht beseitigt werden, dürfe der Schulversuch nicht österreichweit zum Regelbetrieb werden, meinte Amon Ende September. Bildungsministerin Claudia Schmied (SPÖ) hält bisher aber am Fahrplan fest.

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Dass die Lehrerausbildung für alle Pädagoginnen und Pädagogen vereinheitlicht werden soll, steht innerhalb der Koalition außer Streit. Im Juni dieses Jahres nahmen Unterrichtsministerin Claudia Schmied und Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle die Empfehlungen der Vorbereitungsgruppe für die neue PädagogInnenausbildung entgegen. Umstritten ist aber noch, wo die Lehrer in Zukunft ausgebildet werden sollen. Derzeit lernen Pflichtlehrer (Volksschul- und Hauptschullehrer) ihren Beruf an den Pädagogischen Hochschulen (PH); AHS- und BHS-Lehrerinnen studieren ihre Fächer an den Universitäten. Nun ist es wenig überraschend, dass Schmied – zuständig für die PHs – die Lehrerausbildung vorzugsweise an den Pädagogischen Hochschulen verortet haben will, während sich Töchterle für ein Studium an den Universitäten einsetzt. Das Unterrichtsministerium hat sich vorgenommen, noch in dieser Legislaturperiode (also bis 2013) mit der "PädagogInnenbildung Neu" zu starten, einen konkreten Termin gibt es allerdings nicht.

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Am wenigsten weitergegangen ist in diesem Jahr beim neuen Lehrerdienstrecht. Der Lehrberuf soll durch ein neues Dienst- und Besoldungsrecht attraktiver gemacht werden. Die Unterrichtsministerin wünscht sich vor allem eine flachere Gehaltskurve. Die Verhandlungen mit der Gewerkschaft haben zwar im Mai dieses Jahres begonnen, zu Ergebnissen ist man aber nicht gekommen. Mehr Details zu den Verhandlungspunkten gibt es hier. Über Verhandlungsfortschritte wurde Stillschweigen vereinbart. Unterrichtministerin Schmied hat bereits im September angekündigt, dass sie im Jahr 2011 an keine Einigung mit Gewerkschaftschef Fritz Neugebauer glaubt.

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Den Initiatoren des Bildungsvolksbegehren waren die Reformbestrebungen der Regierung zu wenig. Bereits im November des Jahres 2010 kündigte der Industrielle und ehemalige SPÖ-Finanzminister Hannes Androsch an, ein Volksbegehren starten zu wollen. Gefordert wurden unter anderem die Ganztagsschule und eine gemeinsame Schule bis zum Ende der Schulpflicht. Auch eine Erhöhung des Budgets für die Universitäten stand auf der Liste der Forderungen. Mit 383.820 Unterschriften konnte das Bildungsvolksbegehren Anfang November allerdings nicht den gewünschten "Herbststurm" auslösen. Das Volksbegehren hat die Marke von 100.000 Unterschriften aber überschritten und muss deshalb im Parlament behandelt werden. Parlamentspräsidenten Barbara Prammer wünscht sich dafür einen eigenen Ausschuss im kommenden Jahr.

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Wie bei den Schulreformen ist auch bei der Uni-Politik zwarviel in Planung, aber wenig wurde beschlossen.

Der Hochschulplan wird nun bereits vom dritten Wissenschaftsminister ausgearbeitet. Karlheinz Töchterle (ÖVP) scheint aber bisher die größten Chancen zu haben, dass der Plan für eine koordinierte Hochschulpolitik auch aufgeht. Ein Expertenbeirat hat seine Vorschläge im August präsentiert. Darin wurden unter anderem Studiengebühren und Zugangsbeschränkungen empfohlen. Auch eine Hochschulkonferenz, bestehend aus Vertretern von Universitäten, Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen, soll mehr Koordination möglich machen. Laut einem ersten Entwurf, der Ende November öffentlich wurde, soll künftig jede Hochschule in ihren Leistungsvereinbarungen mit dem Wissenschaftsministerium festlegen, wie viele Studenten sie in den einzelnen Fächergruppen minimal bzw. maximal ausbilden kann. Gibt es mehr Interessenten, so muss den Universitäten die Möglichkeit von Zugangsregelungen eingeräumt werden. Der Erstentwurf zum Hochschulplan soll noch in dieser Woche präsentiert werden.

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Der Dauerbrenner in der österreichischen Bildungspolitik ist die Debatte um Studiengebühren. Die ÖVP will sie, die SPÖ nicht. Oder vielleicht doch. In dieser Frage ist in den vergangenen Wochen Bewegung in die SPÖ gekommen. In Stellungnahmen von Bundeskanzler Werner Faymann abwärts wird auf den Parteitag im Frühjahr verwiesen, wo die Sozialdemokraten eventuell der Einführung von Studiengebühren zustimmen könnten. Wissenschaftsminister Töchterle hat im September ein Modell vorgestellt, wonach die Universitäten autonom Studiengebühren bis zu 500 Euro einheben können. Für unterschiedliche Interpretationen sorgt ein VfGH-Urteil vom Juli, in dem Teile des Gesetzes über die aktuell für eine Minderheit der Studierenden geltenden Studiengebühren für verfassungswidrig erklärt wurden. Während die SPÖ glaubt, dass mit dem Auslaufen des Gesetzes ab März die Studiengebühren komplett wegfallen, hält es die ÖVP unter Berufung eines Gutachtens für möglich, dass die Universitäten Studiengebühren in beliebiger Höhe einfordern. Die Rektoren, verärgert über die ewige Debatte in der Koalition, haben sich nun darauf geeinigt, im nächsten Sommersemester keine Studiengebühren einzuheben und ab dem Wintersemester 2012/2013 Gebühren in der Höhe von maximal 363 Euro pro Semester zu verlangen, wenn es bis dahin keine Einigung gibt.

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Die Voranmeldung zur Regelung des Uni-Zugangs für die Universitäten hat sich als Flop herausgestellt. Das gab auch Wissenschaftsminister Töchterle zu. An einigen Universitäten kam es zu technischen Schwierigkeiten und viele Studierende meldeten sich zur Sicherheit bei mehr Studien an, als sie tatsächlich machen wollten. Die Planbarkeit für die Universitäten ist somit weiterhin nicht gegeben. Ministerium, Rektoren und ÖH haben sich nun darauf geeinigt, dass die Voranmeldung deshalb wieder abgeschafft und stattdessen die Inskriptionsfrist auf 5. September vorverlegt wird. Da die SPÖ dem Vorschlag noch nicht zugestimmt hat, kommt diese Regelung allerdings frühestens ab dem Wintersemester 2012/13. Streitpunkt zwischen ÖVP und SPÖ ist hier die verpflichtende Studienberatung: Schmied ist dafür, Töchterle hat sie wegen des organisatorischen Mehraufwandes abgesagt.

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Alles in Allem wurden im "Jahr der Bildung" viele Themen weiterdiskutiert und weiterentwickelt. Wirklich umgesetzt ist aber noch sind nur wenige der Reformvorhaben. Ein Lichtblick: Das Thema Bildung ist weiter in die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit gerückt. Trotzdem ist das Bild der Baustelle Bildungspolitik nach wie vor zutreffend.  (Lisa Aigner, derStandard.at, 20.12.2011)

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