Lorenzo Lotto stellte den heiligen Hieronymus demütig in der Einöde dar. Foto: Collezione Doria Pamphilj

Foto: Collezione Doria Pamphilj, Rom

Die Ausstellung "Vanitas" bietet zugleich Gelegenheit zum Rundgang durch eine der größten Privatsammlungen Roms.

Maria Magdalena hat den kostbaren Schmuck abgestreift, entsagt den irdischen Dingen. Reuig legt sie die Hände in den Schoß und harrt ihres Schicksals. Caravaggio malte die Heilige nicht wie viele seiner Kollegen (etwa Mattia Preti) mit großen Kullertränen, die auch gleich für die Fußwaschung Christi dienlich waren. Ihm ging es weniger um Pathos als um stille Erkenntnis. Jene desillusionierende Einsicht, für die Kardinal Benedikt Pamphilj einst so poetische Worte fand, dass Georg Friedrich Händel sie für sein Oratorium Der Triumph der Zeit und der Wahrheit verwendete.

Benedikt wurde 1653 als Sprössling einer der bedeutendsten adligen Familien geboren, die sich im 16. Jahrhundert in Rom niedergelassen hatte. Im gigantischen Familienpalais schmolzen die Güter zweier gutbetuchter Familien, der Aldobrandinis und der Pamphilj, zusammen; aktuell sind dort in der Ausstellung Vanitas – zur Schönheit der Vergänglichkeit – 32 Werke der privaten Kunstkollektion versammelt.

Die Eheschließung zwischen Olimpia Aldobrandini und Kardinalnepote Camillo Pamphilj stieß im 17. Jahrhundert allerdings auf Widerstand – nicht so sehr seitens Camillos Onkels, Papst Innozenz X., denn seitens seiner Mutter Olimpia Maidalchini Pamphilj. Die Beinahe-Päpstin, wie sie vom Volksmund genannt wird, hatte päpstlichere Pläne für Camillo. Innozenz hatte jedoch Verständnis für den Neffen, irdische Freuden der geistlichen Würde vorzuziehen. Dennoch schaut Innozenz im Porträt Diego Velázquez' eher unnachgiebig drein. Bei Bernini wirkt er eher nachgiebig, um den lieben Frieden bemüht.

Zeit für Besinnung

Die geistige Laufbahn schlug stattdessen Camillos Sohn Benedikt ein, der weniger mit dem schönen Geschlecht denn mit schönen Worten, vornehmlich aus der Bibel, liebäugelte: "Alles Irdische ist eitel". Die katholische Kirche erkannte, dass nach Jahrhunderten der Macht und Pracht die Zeit reif war für Besinnung. An die Stelle barocken Prunks trat das Theater des Wortes, das Oratorium. Stille Metaphern eroberten die Malerei, die nun nicht länger das Leben verherrlichte, sondern an seine Vergänglichkeit erinnerte. Verzückte Heilige und Verkündigung bringende Engel räumten für Totenschädel und Sanduhren das Feld. Stillleben mit totem Federvieh waren nun gefragt.

Benedikt tapezierte die Zimmer des Pamphilj-Palastes mit Vanitas-Gemälden, aber auch mit Darstellungen des heiligen Hieronymus und der Maria Magdalena, den beiden Hauptvertretern der sich auf die Nichtigkeit des Seins besinnenden Wende. Angesichts der eher geringen Zahl der Werke in der Ausstellung scheint die Legende, es sei von den Pamphilj-Erben nichts veräußert worden, widerlegt. Denn laut Familienarchiv kletterte unter Benedikt allein die Zahl der Stillleben auf 451.

Der zeitgenössische Epilog, der zwar zum Thema der Vanitas passt, scheint dennoch ein wenig eitel: Auf Sockeln schweben, die fünf Sinne darstellend, die Büsten von Donna Gesine Pamphilj und ihrer Sprösslinge. In Auftrag gegeben wurden sie von ihrem Gatten Massimiliano Floridi – der jüngst die erste sakramentale Weihestufe, das Diakonat, erklommen hat.

Die janusköpfigen Porträts tragen das zweite Gesicht aber nicht am Hinterkopf, denn ihre Köpfe stehen übereinander, was ihnen ein huckepackartiges Aussehen verleiht. Im oberen Teil sind die Figuren in Marmor gemeißelt, im unteren in Blei gegossen – wie Totenmasken, an denen die Zeit nicht spurlos vorübergegangen ist. Bildhauern wie Bernini gelang es einst, den Lauf der Zeit in einem einzigen Werk festzuhalten. In der Pamphilj-Sammlung finden sich mehrere solcher Höhepunkte menschlichen Schaffens. (Eva Clausen, DER STANDARD – Printausgabe, 17./18. Dezember 2011)