Man kann nicht alles glauben, was einem Politik und Industrie so weismachen. Das sollte nicht überraschen. Die Rehabilitierung des Wannenbades ist dennoch erfreulich.

Foto: Waldbühne/Rasinger

Steigende Energiepreise, fruchtlose Bemühungen in Sachen Klimaschutz, neue Technologien, die zunehmend auch für Anleger interessant werden: Energie und Energiesparen ist in aller Munde. Auf Wirtschafts- und Umweltpolitiker kommen in Sachen Energieversorgung der Zukunft einige wichtige Entscheidungen zu. Und auf die Energiekonsumenten einige wichtige Einsichten. Zu solchen verhilft einem Markus Groll. Der Journalist und Sachbuchautor hat in seinem gleichnamigen Buch "die 50 größten Energiespar-Lügen" zusammengetragen und weit verbreitete Ökomythen auf ihren wahren Kern abgeklopft. Sein Schluss: Der Konsument wird beim Energiesparen kräftig hinters Licht geführt.

Vom Duschen und technischem Klimbim

Etwa in Sachen Wohnraumsanierung. Die amortisiert sich laut Groll in wenigen Fällen wirklich - trotz hoher Energiepreise. Und wer glaubt, dass Duschen mehr Energie spart, als ein Wannenbad, der irrt. Auch da geistern in so gut wie allen Ratgebern falsche Berechnungen herum. Was die Hoffnung betreffe, dass man mit technischem Klimbim das Energiesparen umgehen könne, so sei dies ein leicht zu wiederlegender Irrglaube, mahnt Groll. Der Konsument geht - in der Meinung, dass er eh nur das energiefreundlichste Gerät nützt - mit selbigem vielfach großzügig bis verschwenderisch um. Einen Beleg für diese These findet sich im England des frühen 20. Jahrhunderts, als in den Glühlampen die alten Kohlefaserglühwendeln durch solche aus Wolfram ersetzt wurden. Diese verbrauchten nur ein Viertel Strom bei gleicher Leuchtleistung. Die Stromunternehmer befürchteten damals Umsatzeinbrüche, andere senkten die Preise um den Markt anzukurbeln: Die Strategie ging auf. Die mit Effizienzsteigerung einhergehende Verbilligung hatte zu einer Umsatzexplosion geführt. Was das für heute heißt? Könnte sein, dass der Ersatz der Glühlampen durch LED- oder Energiesparlampen den Effekt zeitigt, dass dann weit mehr Flächen beleuchtet werden als früher. Im Extremfall würde damit statt der Absenkung eine Verbrauchssteigerung einhergehen.

Der bequeme Weg funktioniert nicht

"Wenn man alles zusammenzählt", sagt Markus Groll im Gespräch mit derStandard.at, "dann kann man Energiesparen nicht auf die Technik abschieben." Der bequeme Weg funktionierte da nicht. "Irgendwie wird uns verkauft, dass wir nur das Elektroauto kaufen müssen oder die neuen Fenster einbauen oder die neue Energiesparlampe verwenden, dann wird alles gut. Aber das alles bringt uns nichts." Was ihn ärgert: "Man verkauft uns Energiesparen mit dem falschen Argument, man spart Geld. Aber so ist es nicht. Energiesparen spart kein Geld." Die Konsumenten seien dann langfristig enttäuscht und würden wohl zu dem Schluss kommen, dass das "alles Blödsinn" sei. Das sei allerdings auch der falsche Schluss. Man denke an die Ressourcenverschwendung oder an deren ungerechte Ausbeutung. "Die langfristige Rechnung wird den Haushalten umgehängt. Das ist ungerecht und falsch. Denn wie soll in einem Haushalt, der ja nicht einmal abschätzen kann, ob der Verdiener in vier Jahren noch einen Job hat, so langfristig planen." Diese Aufgabe fällt für Groll eindeutig den Unternehmen und der Politik zu. Dort werde aber ganz im Gegenteil sehr kurzfristig geplant.

Wo grün drauf steht

Alle wollen das Klima und damit die Erde retten, Ehrensache. Nicht immer sind die Empfehlungen von Umweltpolitikern, Energieunternehmern oder Ökoberatern wirklich gut für das Geldbörserl. Und oft sind die Tipps nicht einmal gut fürs Klima, oder - im übelsten Fall - weder noch. Und wo grün drauf steht, ist noch lange nicht grün drin. Der kritische Konsument ahnt ohnehin, dass er vielfach hinters Licht geführt wird. Groll fasst einiges im Sündenregister zusammen. Dass etwa die Effizienz der Elektroautos bislang verzerrt dargestellt wird, dass Österreichs Kraftwerkspark wider Erwarten bereits fast doppelt so groß ist wie die inländische Stromnachfrage. Auch das von der Industrie auf den Tisch gelegte Argument, Österreich brauche Atomstromimporte, lässt er nicht gelten. Österreichs Kraftwerke können beinahe doppelt so viel Strom liefern wie die Österreicher brauchen, rechnet der Autor vor. Rein von den Kapazitäten her gäbe es in Österreich auch keinen Bedarf nach neuen Kraftwerken. Gegebenenfalls müssten alte Standorte erneuert werden.

Auch den Träumern von der grünen Rendite macht Groll einen Strich durch die Rechnung. In Deutschland wurden etwa zum Thema erneuerbare Energie und Wald 2009 doppelt so viele Euros eingesammelt wie im Jahr davor - bemerkenswerte 675 Millionen. Der Boom hat allerdings seine Schattenseiten. Zahlreiche schwarze Schafe tummeln sich inzwischen auf der grünen Wiese. Was die tun, ist im Ökosegment nicht anders als anderswo: Die Anleger werden abgezockt. Der "herbeigeschriebene Boom" bei Technologien und Dienstleistungen rund um erneuerbare Energieformen bedeutet zweitens nicht automatisch Gewinne. Die noch ganz junge Pleite des deutschen Solarunternehmens Solon darf als mahnendes Beispiel gelten.

Potemkinsche Dörfer

Auch an der hierzulande hochgelobten Umweltmusterstadt Güssing lässt der Groll kein gutes Haar: "Potemkinsches Dorf in Sachen Energieautarkie" nennt er das Vorzeigeprojekt. Güssing habe hinter der marketingmäßig mustergültig aufpolierten Öko-Fassade jede Menge Schwierigkeiten, auch nur die Hälfte seines Images zu erfüllen. Die Stadt sei bezüglich Energieversorgung nicht wesentlich autarker als Gesamtösterreich, der Co2-Ausstoß kaum niedriger als vor zehn Jahren. Und: Die Betriebsansiedelungen führten zu Schwermetallverunreinigungen der Bäche und Lärmbelästigung der Anrainer.

Sein Buch verstehe sich aber keinesfalls als Argument gegen das Energiesparen, sondern vielmehr als Anreiz an die Konsumenten, die Herausforderungen des jetzt schon technisch Möglichen in sinnvoller Weise anzunehmen, so Groll. Für Leute, die ihr Geld weder verheizen noch vertanken wollen, gibt es am Ende jedes Kapitels Hinweise, was man als Konsument glauben kann und was nicht, wo sich Investitionen in private Energiespartechnologien rechnen und wie man abseits des Hypes rund um erneuerbare Energien intelligent grün sparen kann.

Trotz zahlreicher Möglichkeiten sei er aber dennoch wenig optimistisch, schließt Groll. Denn sowohl das Verhalten von Konsumenten als auch das von Politikern sei nicht gerade von hoher Änderungsbereitschaft geprägt. "Ich bin zum Pessimist geworden, das hätte ich eigentlich nicht gedacht. Aber solange die Preise nicht noch höher sind, wird sich da nix rühren." (Regina Bruckner, derStandard.at, 16.12.2011)