Wien - Bei der Zauberflöte würde er, wenn er könnte, auch als Königin der Nacht singen, so Matthias Goerne; alle Rollen dieser Mozart-Oper seien faszinierend, so der Bariton in einem Interview. Dass er seine Karriere unspektakulär eher über das Kunstlied entwickelt hat, hängt allerdings nicht mit der tiefen Trauer darüber zusammen, dass ihm der Weg zu dieser Sopranpartie ewig verwehrt bleiben wird, vielmehr mit dem Gefühl, dass ihm die Oper als Form nicht genügt.

Zwar sind Lieder natürlich doch immer wieder auch kräfteraubende Miniopern, solche allerdings, welche die Möglichkeit bieten, Feinheiten und Nuancen auszuarbeiten, die in großen, regiegeprägten Räumen unterzugehen pflegen. Und auch wenn Goerne im Opernbereich längst Papageno und Wozzeck war, kehrt er immer wieder zu dieser Schule der Genauigkeit zurück, die er zuletzt auch zusammen mit Alfred Brendel besuchte.

Dort wird dann, wie nun im Mozartsaal, alles intensiv durchlebt und durchlitten, Goerne hält sich mit der Rechten gerne am Klavierdeckel fest und würzt seine Darbietung mit bedrohlich-staunenden Blicken. Kein plumper theatralischer Effekt. Jeder hat seine mimisch-gestischen Eigenheiten.

Robert Schumanns Weltbetrachtungen in Form von Noten sind bei ihm in fein dosierenden, dramatisch-poetischen Händen, wobei die Stimme zunächst in den expressiven Forte-Bereichen (Balsatzar, op. 57) noch nicht völlig frei klingt; eigentlich hatte man diesmal erst nach der Pause den Eindruck jener Ungefährdetheit, an die man von Goerne gewöhnt wurde.

Nun ist es allerdings so: Wäre ihm nichts gelungen, allein schon das Nachtlied hätte für alles entschädigt. Da war Goerne, solide begleitet von Pianist Eric Schneider, ganz bei sich, also jener Meister des Lyrischen, der jeden Ton im Piano ansatzlos trifft und schwebende Linien gestaltet, deren Poesie zum Narkotikum wird. Solche Momente treiben einen ins Konzert.

Dass er keine Zugabe geben wollte, auch darüber konnte das Nachtlied logischerweise hinwegtrösten. (DER STANDARD, Printausgabe, 6.6.2003)