Manfred Krammer ist Mitarbeiter des Instituts für Hochenergiephysik (HEPHY) der Akademie der Wissenschaften. und Vorsitzender des "European Committee for Future Accelerators (ECFA)" am CERN.

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Wien/Genf - Die wichtigste wissenschaftliche Aussage des Seminars am Dienstag am Europäischen Teilchenforschungszentrum (CERN) ist die Existenz eines "riesigen ausgeschlossenen Bereichs", in dem das Higgs-Teilchen nicht vorkommen kann. Das erklärte Manfred Krammer vom Institut für Hochenergiephysik (HEPHY) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Wien. Am HEPHY hatten rund 100 Personen die Live-Übertragung der Veranstaltung verfolgt. Eindeutigere Aussagen könnten derzeit noch nicht getroffen werden.

Bereits am früheren CERN-Beschleuniger LEP war ausgeschlossen worden, dass die Higgs-Bosonen eine kleinere Masse als 114 Gigaelektronenvolt (GeV) - jenes Maß, mit dem die Teilchenphysiker die Masse von Teilchen messen - haben. Nun wurde aufgrund der bisherigen Experimente am neuen CERN-Beschleuniger LHC ausgeschlossen, dass die Higgs-Teilchen eine Masse zwischen 127 bis 600 GeV haben. Für die Wissenschafter stellt das einen substanziellen Fortschritt dar, es verbleibt nur noch ein sehr kleiner Bereich zwischen 114 und 127 GeV, in dem man Higgs finden könnte - oder es gibt es gar nicht, was auch nicht auszuschließen ist.

Die Ergebnisse in den beiden LHC-Experimenten, den Detektoren CMS und Atlas, seien fast identisch, was für Krammer "erstaunlich ist, wenn man bedenkt, wie komplex die Apparate sind, dass die Analysemethoden völlig unterschiedlich sind und auch andere Personen dort arbeiten".

"Interessante Anhäufung von Ereignissen"

In beiden Experimenten wurde in einem Massebereich von etwa 120 bis 125 GeV eine "interessante Anhäufung von Ereignissen beobachtet", die sowohl auf statistischen Schwankungen beruhen könnte, aber auch "ein erster Hinweis für ein Higgs-Teilchen sein könnte", so Krammer. Noch sei die Zahl der beobachteten Ereignisse - die Zerfallsspuren nach Teilchenkollisionen - aber zu klein, um eine genaue Aussage treffen zu können.

Wenn der Beschleuniger und die Experimente genauso gut laufen wie heuer, sollten die Forscher im Laufe des nächsten Jahres die drei bis vierfache Datenmenge gesammelt haben, "und damit müsste sich dieser Bereich eindeutig klären lassen", so Krammer. "Entweder haben wir im Sommer einen Ausschluss, denn um eine Nicht-Existenz des Higgs nachzuweisen, braucht man weniger Daten, oder wir können am Ende des Jahres sagen, es gibt das Higgs in einem bestimmten Bereich", erklärte der Wissenschafter.

Aktive Informationspolitik gegen die Gerüchteküche

Dass man den Eindruck hat, dass CERN mit solchen Veranstaltungen einen künstlichen Hype über das Thema erzeugt, kann Krammer nachvollziehen. Dies sei auch im CERN debattiert worden. "Das Interesse an unserer Forschung ist erfreulicherweise sehr hoch und es kommen immer wieder in Blogs oder auf Twitter Gerüchte auf, die sich im Laufe der Zeit aufschaukeln", so Krammer. Die einzige Möglichkeit dem entgegenzutreten, sehen die Forscher in wissenschaftlichen Symposien und offiziellen Pressestatements des CERN. "Wir sind, das ist unser Eindruck, fast gezwungen, aktiv Informationen zu verbreiten, damit sich diese Gerüchte nicht so aufschaukeln", so Krammer. (APA)