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"Ich trete für Eigenständigkeit und starke Länderkompetenzen ein", sagt Markus Wallner

Foto: APA / Pfarrhofer

Standard: Sie kündigten in Ihrer Antrittsrede mehr Bürgerbeteiligung an. Wollen Sie damit neues Politikpersonal rekrutieren?

Wallner: Nein, damit hat das nichts zu tun. Ich will Vertrauen aufbauen, das setzt neue Formen der Bürgerbeteiligung voraus, beispielsweise Bürgerräte zu Zukunftsfragen. Ein oder zwei Bürgerräte pro Jahr könnte ich mir vorstellen. Damit ist konkrete Beteiligung, das Einholen von Meinungen gemeint, Bürgerinnen und Bürger sollen Ideen zu wesentlichen Fragen einbringen.

Standard: Ist die neue Bürgernähe eine Reaktion auf den Vertrauensverlust der Politik?

Wallner: Durch die vielen Korruptionsfälle leidet die Politik unter Vertrauensverlust - leider eine generelle Problematik. Wenn man neu antritt, sollte man das auch sagen. Ich möchte versuchen, wieder Vertrauen in die Politik herzustellen. Durch ehrlichen, direkten Kontakt, durch Gemeindebesuche, Regionaltage der Regierung. Man muss diese Phase nutzen, um den Menschen zuzuhören, direkt auf sie zuzugehen. Die Zeiten sind unsicher, die Menschen benötigen eine gewisse Orientierung. Sie müssen sehen, wer Verantwortung wahrnimmt.

Standard: Politiker müssen schneller sein als Spekulanten, sagten Sie im Landtag. Was meinten Sie konkret damit?

Wallner: In Europa erleben wir seit einiger Zeit, dass die Spekulanten schneller sind als die Politik. Dadurch steht die Handlungsfähigkeit Europas auf dem Spiel. Es braucht neue Instrumente, um handlungsfähiger zu werden. Ich bin nicht der, der Instrumente erfinden kann, aber ich beobachte mit Sorge. Denn die Vorarlberger Wirtschaft ist exportorientiert, die Politik der EU beeinflusst uns direkt, ist für die Entwicklung der gesamten Bodenseeregion wichtig. Derzeit hat man den Eindruck, dass die Markt- und die Börsenberuhigung nur kurzfristig gelingt.

Standard: Was halten Sie von Ratingagenturen?

Wallner: Sie dominieren im Moment ganz stark und führen auch in Österreich zu ruckartigen Bewegungen: Schuldenbremse ja, Schuldenbremse nein, in die Verfassung, einfach gesetzlich oder auch wieder nicht, mit den Ländern, ohne die Länder ...

Standard: Soll man die Schuldenbremse mit allen Mitteln in der Verfassung verankern?

Wallner: Wir Länder haben uns nicht dagegen gesträubt, hätten mit dem Bund eine brauchbare Einigung getroffen, gescheitert ist die Sache am Nationalrat. In Vorarlberg haben wir seit Jahrzehnten Erfahrung damit, wie man ohne Nettoneuverschuldung zurechtkommen kann, auch ohne eine Schuldenbremse in der Verfassung festzuschreiben. Für eine neue Ländervereinbarung bin ich aber durchaus offen.

Standard: Sie haben die Schuldenbremse von Ihrem Vorgänger geerbt. Herbert Sausgruber hat zu seinem Abschied die sogenannte Nettoneuverschuldung null ab 2012 durchgesetzt. Wie lange werden Sie ohne Neuverschuldung durchhalten?

Wallner: Wir werden uns sehr bemühen, Ausgaben und Einnahmen im Gleichgewicht zu halten. Das setzt nicht nur Ausgabendisziplin voraus, sondern auch Wirtschaftswachstum. Die Konjunkturentwicklung ist im Moment aber schwer absehbar.

Standard: Sie sind bekennender Föderalist, kann man sich Föderalismus noch leisten?

Wallner: Ich trete für Eigenständigkeit und starke Länderkompetenzen ein, aus der tiefen Überzeugung, dass sich in der Nähe oft schnellere und günstigere Lösungen finden lassen. Moderner Föderalismus lässt einen Wettbewerb von Ideen zu, sucht nach der besten Lösung. Die Schweiz zeigt, wie man mit geringen Verwaltungskosten guten Föderalismus leben kann.

Standard: Sollte man bei Landtagen, beim Bundesrat einsparen?

Wallner: Na ja, da gibt es im Moment viele Zurufe, aber keine gesamthaften Überlegungen, keine Konzepte, über die man ernsthaft diskutieren könnte.

Standard: Was halten Sie von der Steuerhoheit für die Länder?

Wallner: Bei Massensteuern macht die Steuerhoheit der Länder keinen Sinn. Für die Verländerung der Grundsteuer wäre ich offen. Wir in Vorarlberg legen viel Wert auf den Schutz von Eigentum. Bei einer Verländerung hätten wir mehr Gestaltungsmöglichkeiten.

Standard: Das heißt: keine Erhöhung im Land der Häuslebauer.

Wallner: So ist es.

Standard: Sie wollten als Gesundheitslandesrat Vorarlberg zur Modellregion machen. Nun rennen Ihnen die Spitalsärzte davon.

Wallner: Wie viele andere Länder und Regionen kämpfen wir ganz massiv mit dem Ärztemangel. Durch die Verbesserung der Ärztegehälter wollen wir wettbewerbsfähig werden, vor allem gegenüber Süddeutschland. Wir werden aber auch wieder über Strukturbereinigung und Schwerpunktbildung an den Spitälern diskutieren müssen. (Jutta Berger, DER STANDARD, Printausgabe 10/11. 12. 2011)