"Das Problem ist die Analyse. Wir hinken immer nach", sagt Schwab.

Foto: Matthias Cremer

"Heuer ist ein schlechtes Jahr. Ich bin nicht oft kontrolliert worden", sagt Mayr.

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Die illustre Runde beim Wirt'n.

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Wien - Noch ehe er Platz nimmt und sich das kleine Bier bestellt, mit dem er eineinhalb Stunden auskommen wird, legt Andreas Schwab Broschüren der Nationalen Anti-Doping-Agentur (Nada) auf den Stammtisch. "Wer dopt, verliert", steht auf der Titelseite. "Wer nicht dopt, verliert", wirft einer - typisch Stammtisch - ein. Andrea Mayr (zuerst Fruchtsaft gespritzt, dann heiße Schokolade ohne Schlag) wird darauf zurückkommen.

"Wer leitet ein Dopingverfahren ein?", will Mayr gleich wissen. "Man sagt, das ist die Nada, aber wer ist das wirklich?" "Toll, dass du die Frage gleich am Anfang stellst", sagt Schwab. "Wir merken nämlich, dass sich die meisten Leute überhaupt nicht auskennen." Und dann erzählt Schwab, dass schon ein begründeter Verdacht ausreicht, um ein Verfahren vor der unabhängigen Rechtskommission einzuleiten.

Mayr: "Was heißt Verdacht?" Schwab: "Bei Steffi Graf gab es einen." Mayr: "Den Verdacht hatte ich schon vor Jahren." Schwab: "Warum bist du dann nie gekommen und hast dich als Zeugin zur Verfügung gestellt? Eine Vermutung reicht nicht aus. Wir brauchen auch einen Beweis. Bei Graf war es so, dass wir Unterlagen bekommen haben und dass sie auch selber öffentlich gesagt hat, dass sie bei Humanplasma gewesen ist."

Standard: Wer ist die Kundschaft der Nada?

Schwab: "Jene Sportler, die in den verschiedenen Testpools sind. Es sind insgesamt 1200. Wir konzentrieren uns auf die 250 im internationalen Testpool. Das Personal und die Analyse von Blut und Urin auf alles, was derzeit bekannt ist, kostet 1000 Euro. Das Problem ist die Analyse. Wenn ein Sportler medizinisch perfekt betreut ist, einen Chemiker hat, weiß er bei jeder Substanz genau die Grenze, ab der sie nachgewiesen werden kann. Wir hinken immer nach."

Standard: Heißt das, dass Dopingkontrollore ohnehin keine Chance haben?

Mayr: "Das klassische Beispiel ist Marion Jones, die gesagt hat, dass sie genau 198-mal negativ getestet worden ist. Die US-Sprinterin gestand, dass sie jahrelang gedopt hatte, musste Olympia- und WM-Medaillen zurückgeben." Schwab: "Wir wissen, dass Weltklassesportler bis zu 100.000 Euro für Doping ausgeben. Das Geld ist oft gut investiert. Aber das Risiko ist groß. Wer erwischt wird, dem droht das Karriereende."

Täglich müssen Sportler online bekanntgeben, wo sie zu einer selbst gewählten Stunde für einen möglichen Dopingtest zur Verfügung stehen. Mayr: "Mir wäre es am liebsten, ich müsste das nicht immer in das Meldesystem eingeben. Man könnte mich ja auch übers Handy orten, ich würde auch ein Ketterl um den Hals tragen oder ein Armband. Die Kontrollore können mich testen, so oft sie wollen. Ich verstehe aber andere, die sagen, dass das ein Eingriff in die Privatsphäre ist."

Standard: Wie oft sind Sie schon getestet worden?

Mayr: "Heuer ist ein schlechtes Jahr. Ich bin nicht oft kontrolliert worden, das letzte Mal irgendwann im Mai. Aber im Schnitt sind es sicher 20 Kontrollen im Jahr." Weshalb Mayr Laufkollegin Graf verdächtigt hat? "Wir haben sie beim Medizinstudium als Beispiel geschildert bekommen, wie sich Wachstumshormone auf den weiblichen Körper auswirken. Die charakteristischen Gesichtszüge etwa oder der Muskulaturzuwachs. Verurteilt worden ist sie aber wegen etwas anderem."

Die Causa des Schwimmers Dinko Jukic, der trotz Verweigerung eines Tests nicht gesperrt worden ist, stößt Mayr sauer auf. "Der hat sich beschwert, dass er von den Kontrolloren Besuch während seines Trainings bekommen hat. Den Zeitpunkt hat er sich selbst ausgesucht. Warum hat die Nada beim Jukic-Urteil auf weitere Rechtsmittel verzichtet?" Schwab: "Wir hätten kein weiteres Beweismittel aufbieten können. Der einzige Fehler war, dass die Kontrollore nicht konsequent genug vorgegangen sind. Und das Verhalten des Herrn Jukic nicht ausreichend dokumentiert wurde. Jukic hat Glück gehabt."

Der Herr Wirt hat ja nicht viel abzuservieren, also setzt er sich dazu: "Viele dopen, Frau Mayr. Ist man nicht eifersüchtig auf die, die ungeschoren davonkommen?" Mayr: "Natürlich, man kommt sich ein bisserl verarscht vor. Bei besseren Leistungen kriegt man mehr Sponsoren, Förderungen, kann höhere Startgelder aushandeln. Darauf ist man neidisch. Auf den Erfolg aber nicht. Ich weiß ja, dass ich meine Leistungen sauber erbracht habe. Ich verstehe nicht, dass sich ein Athlet freut, wenn er weiß, dass er seinen Erfolg nicht selbst zusammengebracht hat."

Standard: Betrug im Sport mittels Doping ist allgegenwärtig. Ist der Sport ein Spiegel der Gesellschaft?

Mayr: "Ich wollte schon einmal aufhören deshalb. Da hat mein Trainer zu mir gesagt: 'Deshalb brauchst du nicht aufhören. Im Berufsleben hast du das eins zu eins. Warum sollen Sportler moralischer sein?' Aber wenn ich den Sport in seiner Grundidee sehe, als Freizeitbeschäftigung, ist das Doping völlig absurd. Und doch dopen so viele Freizeitsportler."

Man könnte Doping doch liberalisieren. Schwab: "Das würde den Sport kaputt und gefährlich machen." Mayr: "Stimmt. Momentan glauben die meisten noch, dass Weltrekorde auch sauber unterboten werden können."

Was in den Körper eines Sportlers gelangt, sei seine Sache, sagt Schwab. Im Ernst. Mayr wird lustig: "Ich bin froh, dass Haschisch nicht mehr auf der Dopingliste steht. Bei Trainingsläufen im Prater bin ich schon öfters durch eine Rauchwolke gelaufen und habe das Zeug unfreiwillig inhaliert." Herr Wirt, zahlen bitte. Mayr und Schwab müssen zum Training. (DER STANDARD, Printausgabe, 7.12.2011)