Kehrt nun sehr gerne an die Wiener Staatsoper zurück - Dirigentin Simone Young. 

Foto: Staatsoper

Wien - Als Intendantin und Generalmusikdirektorin der Hamburgischen Staatsoper (seit 2005) muss man, so einen Gastdirigate nach Wien entführen, wohl ziemlich viel telefonieren und in der Probenphase zwischendurch doch wieder kurz an die Hauptarbeitstätte zurück. Simone Young wirkt jedoch keinesfalls gehetzt, sie genießt wohl die Abwechslung, die Rückkehr zum geschätzten Wiener Staatsopernorchester.

Es mag sie dies kleine momentane Hin und Her indes auch an eine stürmische Karriereaufbauzeit erinnern, da sie viel Gastdirigate bestritt, bis sie sich letztlich in Hamburg niederließ. Es wären Erinnerungen an eine unverzichtbare Phase: "Man kann theoretisch alles studieren, die unterschiedlichen Klangmöglichkeiten muss man jedoch erlebt haben, die variieren von Haus zu Haus, von Orchestergraben zu Orchestergraben, von Orchester zu Orchester."

Es sei dann aber schön gewesen, wie die Zeit des Herumhetzens vorbei war, als langsam eine Phase kam, "da ich Werke nicht zum ersten oder zweiten Mal dirigierte. Wenn ich zurückdenke an die Mitte der 1990er-Jahre, als ich in einem Jahr zwölf neue Opern geleitet habe - das war schon ziemlich heftig!"

Die größte Konzertbühne

In Hamburg, in einer Doppelfunktion, tätig zu sein, ist natürlich auch freizeitgefährdend. Man kommt jedoch immerhin ins Guinessbuch der Rekorde. "Das war ein Konzert als witzige Marketingaktion, um die Kollegen als Konzertorchester zu präsentieren." Und das ging so: "Die Musiker waren an 50 Standorten der Stadt verteilt, zwei Trompeter waren sogar in Kneipen an der Reeperbahn und ein Cellist am Spielfeld von St. Pauli. Ich stand 80 Meter hoch oben auf dem Wahrzeichen Hamburgs, in der Kirche St. Michaelis. Die Musiker hatten Bildschirme, auf denen sie mich sahen, damit die Koordination möglich wird."

Künstlerisch sei das "vielleicht etwas fragwürdig", gewesen, "es ging aber nicht um eine große Interpretation von Brahms' 2. Symphonie - eher darum, junge Leute zu interessieren." In Hamburg hat Young noch manches vor: "Nächste Saison dirigiere ich wieder drei Werke, die ich noch nie gemacht habe ..." Zehn Jahre Intendanz werden aber genug sein: "2015 ist in Hamburg Schluss. So lange an einem Fleck? Das reicht. Ich habe große Lust, noch viel tiefer in die Musik hineinzutauchen, dafür brauche ich Zeit."

Young (Jahrgang 1961) ist gelernte Komponistin, sie war Korrepetitorin, und sie hat durchaus nicht immer den Wunsch verspürt, Dirigentin zu werden. Mit dem Komponieren aufzuhören "war allerdings ganz natürlich. Ich kann mich zwar sehr gut zurückziehen, eine Woche lang nur mit Partituren verbringen. Aber die Idee, dies jahrelang machen zu müssen - das war mir doch zu fremd, ich wurde dabei depressiv. Was mich inspiriert hat, war das Musizieren mit anderen."

Einflüsse, wichtige Leute? "Auf jeden Fall Daniel Barenboim. Ich war vier Jahre lang seine Assistentin, sein Musizieren ist gleichermaßen spontan wie kompromisslos, seine Gestik ist mit dem Klang zusammengebunden. Ein genialer Musiker und Mensch. Auch Pierre Boulez war wichtig, auch als Denker. Ich bin in Paris vier Monate lang hinter ihm hergelaufen. Ob das nun Proben oder Vorträge waren, ich saß immer da."

Was aber ist gefährlich für eine Dirigentin bei Strauss? "Dass man sich in den Klang verliebt, in dem Klangrausch verliert und den großen Bogen außer Acht lässt, da man zu sehr den einzelnen Moment auskostet." Besonders bei den Stimmen, die am Samstag bei Daphne auf der Bühne stehen (etwa Elisabeth Kulman, Michael Schade und Johan Botha), sagt Young. Es wird aber wohl die Erfahrung genug Schutz vor "gefährlichem Klanggenuss" bieten. (Ljubiša Tošić, DER STANDARD/Printausgabe 7./8. Dezember 2011)