Die Eisenbahner wollen zum Arbeitsgericht fahren, wenn ihnen die ÖBB die falsch abgerechneten Entgelte nicht nachzahlt. Die ÖBB rechnet jetzt zwar richtig ab, ziert sich aber bei der Nachzahlung.

Foto: Christian Fischer

Der Personenverkehr wurde 2010 zu Nachzahlungen vergattert, der Rest des Konzerns heuer.

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Wien - Der Zwist zwischen ÖBB-Holding-Chef Christian Kern und Eisenbahnergewerkschaft gewinnt an Fahrt. Es geht um rund 36 Millionen Euro an sogenanntem "Ausfallsentgelt für Überstunden", also Gehältern, die von der Bahn während Urlauben und Feiertagen seit Jahren nicht korrekt an ihre Dienstnehmer ausgezahlt wurden - der Standard berichtete exklusiv.

Wiewohl die ÖBB-Führung versichert, Abrechnungen und Auszahlungen für die betroffenen rund 27.000 "Alteisenbahner" würden selbstverständlich korrekt und gesetzeskonform erfolgen: Mit der Nachzahlung der seit mehr als drei Jahren angefallenen Entgelte lässt sich die Bahn freilich Zeit. Weil die Prüfung der Sozialversicherung noch nicht abgeschlossen sei, wie betont wird.

Aber: So neu, wie dargestellt, ist das Problem nicht. Denn der Teilkonzern ÖBB-Personenverkehr wurde bereits im April 2010 nach einer Prüfung durch die Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau (VAEB) zu einer Nachzahlung vergattert. Spätestens am 27. Jänner 2011, muss ÖBB-Führung und -Personalverantwortlichen Managern klar gewesen sein, wohin die Reise geht. Da kam nämlich die nächste Hiobsbotschaft: Die VAEB Hauptstelle Wien teilte der ÖBB-Holding mit, dass sie (gemeinsam mit der Finanz) eine "Gemeinsame Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben" vornimmt. Und das nicht nur in einer der zahlreichen ÖBB-Töchter, sondern im gesamten Konzern - von ÖBB-Holding über Rail Cargo Austria und Technische Services bis hin zur Reinigungs- und Sicherheitsfirma Mungos. Laut VAEB sind die Prüfungen fertig.

Nachzahlung im Anrollen

Klar stellte die VAEB im Jänner 2011 auch, dass eine Nachzahlung kommen wird. Sie avisierte das "endgültige Ergebnis über die vorzuschreibenden Beiträge und Verzugszinsen" für "Mitte März 2011" und stellte fest, "dass das Ausfalls-entgelt für Überstunden bei Urlaub und an Feiertagen nicht berücksichtigt wurde und es analog der im April 2010 bereits abgeschlossenen Prüfung bei der Personenverkehr AG zu einer weiteren Nachverrechnung kommen wird." Die Nachzahlung an die Sozialversicherung beträgt, wie berichtet, rund 4,8 Mio. Euro und wird von der ÖBB bis Ende 2012 hinein in Raten abgestottert.

Nun spießt es sich bei der Entgeltzahlung für die vergangenen drei Jahre. Via interner Mitteilung kündigte ÖBB-Chef Kern an, dass die ÖBB "freiwillig und auf Eigeninitiative ... alle Rechtsansprüche der Mitarbeiter auf Punkt und Beistrich erfüllt". Gegenteilige Behauptungen des Konzernbetriebsrats seien "ein billiger Manipulationsversuch" und gehörten in die "Märchenstunde". In der Bilanz 2011 wird mit 36 Mio. Euro vorgesorgt. Konzernbetriebsratschef Roman Hebenstreit droht mit Klage beim Arbeitsgericht, falls die Bahn nicht einlenkt. (Luise Ungerboeck, DER STANDARD, Printausgabe, 7.12.2011)