50 Gebäude, die man vor seinem Tod gesehen haben sollte: Der mexikanische Künstler José Dávila schickte seine Fotoinstallation auf Weltreise. Nun macht sie Station im Mak.

Foto: José Dávila / VBK, Wien 2011

Wien - Rundherum blauer Himmel und in der Mitte nichts als ein Loch. Zwischen Fotografie und weißem Hintergrund macht sich ein gespenstischer Schatten breit. Trotzdem sind die verschwundenen, herausoperierten Gebäude deutlich zu erkennen. Die Kontur sagt einmal Eiffelturm, ein andermal Neuschwanstein, ist die riesige Hotelpyramide in Pjöngjang oder das Taj Mahal.

In seiner 50-teiligen Arbeit Buildings you have to see before you die (2009) zeigt José Dávila in der Manier von Midlife-Crisis-Ratgeber-Büchern jene Dinge (Gebäude), die man im Leben unbedingt noch tun (sehen) sollte. Die rätselhafte Arbeit schipperte heuer sogar schon um die Welt. Auf einem Kreuzfahrtschiff rieb der mexikanische Künstler den Passagieren ihre stete Jagd nach ikonografischen Bildern wochenlang unter die Nase. Nun ist die Arbeit auf Zwischenstation im Wien.

"Das ist der Unterschied zwischen Kunst- und Architekturfotografie", sagt Simon Rees, Kurator der Ausstellung Erschaute Bauten. Architektur im Spiegel zeitgenössischer Kunstfotografie im Mak: "Üblicherweise zeigt die Fotografie die gebaute Umwelt so, wie wir sie schon tausendmal gesehen haben. Das ist meist langweilig und redundant. In diesen Kunstfotografien jedoch kann man das längst Bekannte aus einer völlig neuen Perspektive erleben." Neu ist der Blickwinkel auch auf Bauwerke von Le Corbusier, Ludwig Mies van der Rohe, Frank Lloyd Wright, E. A. Plischke und R. M. Schindler - nicht immer auf Anhieb zu erkennen oder gar zuzuordnen.

Das zeigt sich am besten anhand des Schindler-Hauses in Los Angeles. Diesem Gebäude des österreichischen Architekten ist ein eigener Schwerpunkt gewidmet: Die deutsche Künstlerin Candida Höfer etwa zeigt die Mak-Dependance gegenständlich, Luisa Lambri hingegen nur einen vagen Blick aus dem Fenster. Und bei Hiroshi Sugimoto, dem Meister des geheimnisvollen Schwarz-Weiß, sind nur noch unscharfe Lichtflecken zu sehen. Hier ist die fotografische Disziplin der Architektur eindeutig überlegen.

"Manche Werke", sagt Rees, "sind eine perfekte Symbiose aus Architektur und Fotografie, in anderen wiederum gewinnt ein alltägliches Wohnhaus aufgrund des Fotos an Ästhetik und visueller Prägnanz." So etwa bei Thomas Struth und Tobias Zielony. Beide Künstler zeigen Momentaufnahmen riesiger, teilweise hässlicher und völlig heruntergekommener Wohnmaschinen aus Europa. Schmunzeln bei Dorit Margreiter, die den Bogen vom Immobilieninserat zum Kunstwerk spannt. Für die Serie Original Condition (Case Study House, 2009) mischte sie unter Verkaufsanzeigen des Case Study House#21 des kalifornischen Architekten Pierre Koenig die Bewerbung eines billigeren Plagiats. Man muss genau hinsehen, um im scheckkartengroßen Detail den Unterschied zwischen echtem und unechtem Koenig auszumachen.

Um kulturellen Verfall geht es auch bei Warren Neidich. Der gebürtige New Yorker dokumentiert in seinen Bildskulpturen The removal (2006-2011) den Rückbau des Berliner Palasts der Republik. "Offenbar hat die Stadtverwaltung nicht genug Mumm, um von Abriss oder Zerstörung zu sprechen", so Neidich: "Stattdessen verwendet sie den schön klingenden Begriff des Rückbaus." Quasi demontiert hängen seine hochwertigen Digitaldrucke auf zum Teil unbeplankten Gipskartonständerwänden. Provisorische Abstützung. Leuchtstoffröhre aus dem Baumarkt.

Die erste Großausstellung unter der Direktion Cristoph Thun-Hohensteins ist ein Spiegel der gebauten Kunstfotografie der vergangenen Jahrzehnte: ein würdiger Ersatz für die noch unter Peter Noever geplante Personale über den Modedesigner Helmut Lang. (Wojciech Czaja, DER STANDARD/Printausgabe 7./8. Dezember 2011)