Nina "Bambie" Bruckner präsentierte ihre "neue Hit-CD" im "Zweiraum" in der Millenium City - ein Video vom Event gibt es hier.

Foto: Thomas Rottenberg

Mit dabei war auch "IT-Girl" Ramona Galler.

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Der offizielle "Fleyer" für die CD-Präsentation mit Autogramm des Starlets - mehr Fotos.

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Was ich denn bei so einem Termin suche, fragte Klaus Biedermann - und grinste. Denn er wusste genau, wieso ich da war. Biedermann ist kein Depp, sondern ein Medienprofi und Musikproduzent. Einer, der weiß, was funktioniert: Als "Bingo-Boy" schuf er Hits wie "Bring me Edelweiss". Dann bastelte er DJ-Ötzi-Megaseller. Er schreckt aber auch nicht davor zurück, HC Straches Raps zu vertonen.

Ich kenne Biedermann aus Bubentagen: In den 1990er-Jahren fuhr er Wiens schönste Mod-Vespa. Sein Bruder (DJ DSL) brachte mir das Scooterfahren bei. Seither grüßen wir einander. So auch Donnerstagabend: Biedermann stand im "Zweiraum" in der Millenium City. Sein jüngster Streich stand an: Bambie würde ihre "neue Hit-CD" (Einladungstext) vorstellen. Lugners einstige Gespielin, stand auf dem "Fleyer" (so schrieb Nina "Bambie" Bruckner auf Facebook), würde "Touch Me" singen. Die Öffentlichkeit sei eingeladen.

Selektive Öffentlichkeit

Die Öffentlichkeit bestand aus Medien: Vier Kamerateams. Fünf Partyfotografen. PR-Typen. Drei Ex- oder Vize-Missen. Begleiter. Man versuchte, möglichst oft vor möglichst jeder Kamera zu stehen. Man bestätigte einander das Wichtigsein wechselseitig - und niemanden interessierte, dass das reguläre Zweiraum-Publikum nicht an dem interessiert war, was kommen würde.

Ich fragte mich durch. Bambie? Die kennt man hier: "Lugners peinliche Ex" und eine "gepimpte Tussi". Das waren noch die höflichsten Worte. Ob man gewusst habe, dass sie singen würde? "Wenn die singen kann, kann ich fliegen", eine der schlagfertigen Antworten. Als die Lokal-Beschallung verstummte und Bambie mit zwei Tänzern zu Aerobic-Anfängerchoreographien auf der Bühne wackelte, stand der Raum nicht sehr unter Strom.

Playback

Lugners Ex versuchte, das Playback einzuholen. Das Band blieb vorne. Das Publikum harrte aus - und ich dachte mir das, was der Journalist David Baum Minuten später auf Facebook schrieb: Wenn ein Oberweitenstarlet von heute den Hit eines Oberweitenstarlets der 1980er-Jahr (Samantha Fox, 1986) covert, hat das Kultpotenzial. Theoretisch. Wenn man über sich selbst lachen kann. Doch die einzigen Mensch, die die Kunstfigur "Bambie", die von Lugner, den Medien und der Schönheitschirurgie geschaffen wurde, nicht einmal ansatzweise grotesk finden, dürften Nina Bruckner und ihre Eltern sein.

Der Applaus war enden wollend. Höflich formuliert. Doch das ist egal. Wichtig ist nur, was medial kommt: Eine Stunde später wurde immer noch interviewt und fotografiert. Bambies Manager entspannte sich: Kein Medium - schon gar nicht die Gratiszeitung, die als Sponsor fungierte - würde das Peinliche peinlich, das Unsägliche unsäglich oder das Vakuum leeres Nichts nennen.

Mit welchen Zeugen auch? Keiner von denen, die da vor Kameras Worte ablaichten, würde anderes als Lob spenden: Man kennt einander. Ist einander verpflichtet. Braucht morgen selbst das Urteil der heute Gelobten. Mehr noch: Anderes als Schulterklopfen sprengt das Alles-ist-super-Berichterstattungskonzept von Drei-Satz-Artikeln. Und: Wo blinde Tauben Malerei und Musik beschreiben, ist das Ergebnis vorhersehbar.

Lehrreiche Leere

Dennoch war der Abend ergiebig, die Leere lehrreich. Denn ich fand neue Promi-Darsteller: Die Dame aus dem Tierschutzumfeld etwa, die kurz in der TV-Kuppelshow für ledige Alleinerzieherinnen (oder die über übergewichtige Singles? oder in beiden?) vorkam, seither Events abklappert - und sich mit Ellbogen und Beharrlichkeit schon zum Beinahe-C-Promi hocharbeitete. Oder die junge Frau - laut ihrem Begleiter "Fotografin" -, die nie hinter, sondern immer vor Kameras auftauchte: Als "Facebook-Fotografin" stellt sie angeblich ur viele Party-Pics online. Weil 1000 Freunde eifrig "liken", steht sie jetzt auf Disco- und Event-Presseverteilern - und will mehr: "Sie ist Wiens neues It-Girl", sagte ihr Begleiter. In einer Welt, in der die bloße Behauptung ("neue Hit-CD") schon der Wahrheitsbeweis ist, ist das weder Anmaßung noch Übertreibung.

Als ich zwei der PR-Leute fragte, wie und ob sich all das denn rechne, erzählten sie mir eine Geschichte: In der Millenium City sei gerade eine Blondine aus der Sauf-&-Balz-TV-Doku "Saturday Night Fever" weltberühmt. Die Dame halte sich seit ihrem zweiten TV-Auftritt für einen Star - und verlange von Disco- und Lokalbetreibern bis zu vierstellige Gagen. Dafür, dass sie da sei. Und sich für Partyseiten und Flyer in jenen Lokalen fotografieren lasse, vor denen sie früher Schlange stand.

Hohlheit siegt

Ich zweifelte: "Verlangen heißt nicht kriegen." Die PR-Leute widersprachen: "Mittlerweile schon. Und je öfter sie damit durchkommt, umso leichter wird es." Ich war baff: "Das nenn ich Chuzpe. Da muss sie aber auch was am Kasten haben". Die beiden grinsten: "Im Gegenteil. Wer einen Funken Selbstreflexion hat, schafft das nicht: Wenn du das Wort 'Chuzpe‘ verstehst, bist du aus dem Rennen."

Vorne lachte Nina Bruckner. Herzte, posierte und plapperte, plapperte, plapperte. Kameras surrten. Fotoapparate klickten. Reporter machten sich eifrig Notizen. Ich fühlte mich müde. Unendlich müde. (Thomas Rottenberg, derStandard.at, 5.12.2011)