Die Halbinsel Akámas

Foto: www.visitcyprus.org.cy
Kann man das noch Radfahren nennen? Noch Sport? Man stelle sich vor, da bringt einen ein Bus auf den Berg. Und von dort rollt sich's dann gemütlich auf breiten Schotterstraßen bergab und zurück ans Meer. Nein, wir sprechen hier nicht von adrenalinschwerem Downhill. Was da auf Zypern - und anderswo - angeboten wird, erklärt sich nur aus der Natur heraus. Der Natur der Hitze, die dort herrscht und jede Anstrengung zur Tor-Tour macht. Aber es geht auch anders: Die Vulkaninsel und, wie es aufgeregt immer wieder erwähnt wird, dieser Geburtsort der Liebesgöttin Aphrodite, scheint prädestiniert für radelnde Mountainbike-Ästheten. Und das "Natur-gemäß" vor allem im Frühjahr und im Herbst (der im November endet).

Jede Jahreszeit geht mit den diversen optisch wie olfaktorisch beglückenden Naturnebenerscheinungen einher, zum Beispiel blühende Orangen- und Zitronenhaine, reife Orangen- und Zitronenhaine, abgeerntete Orangen- und Zitronenhaine. Dann noch Bananenplantagen, Olivenbäume oder auch Macchia, Narzissenwiesen und haufenweise wilder Fenchel. Oder in höheren Regionen auch Kiefernwälder. Dazwischen jede Menge Ziegen und Schafe.

Schneefelder

Wenn es unten am Strand auch noch so heiß ist, geht es im Troodos-Gebirge im Landesinneren in den kälteren Monaten mitunter durch Schneefelder. Durchaus auf das kleinste Ritzel zurückgreifen kann man bei manchen dieser, wie die Radl-Spezialheftln formulieren, "knackigen" Aufstiege.

Für Straßenbiker scheint Zypern nicht perfekt, obwohl auch einiges angeboten wird und zahlreiche Nationalteams dort ihr Winterlager aufschlagen, um sich bei angenehmen Temperaturen auf die Saison vorzubereiten. Es herrscht Linksverkehr, nicht nur da hat der ehemalige britische Besatzer seine Spuren hinterlassen. Die Strecke im Süden der Insel, einer einzigen Hotelburgen-Piste, sollte man eher meiden und sich ins ruhigere Landesinnere bewegen - wo übrigens auch sanfter Tourismus Alternativen bietet.

Halbinsel Akámas

Als absolutes Mountainbike-Spitzengebiet, und noch dazu wenig überlaufen, gilt die Halbinsel Akámas im Nordwesten Zyperns. Ein erstaunlich wild gebliebenes Naturschutzgebiet, das man gut von Páphos oder Polis aus beradeln kann. In Páphos, wo auch Königsgräber und Mosaiken von der Geschichte der wegen ihrer Kupfervorkommen (lat. cyprium: "von Zypern stammendes Erz") heiß umfehdeten Insel zeugen, gibt es eine professionell eingerichtete Bikestation, die übrigens der Österreicher Robert Mayerhofer betreut. Von dort aus können 1-, 3-, 5-Tage- oder Wochenarrangements gebucht werden. Und das auf drei Levels: Anfänger / Familien bis Hardcore-Biker. In der Station verleiht man Räder und Helme, auch kleinere Reparaturen sind möglich. Falls das eigene Bike mitreist, könnte sich die Ersatzmaterialbeschaffung schwierig und teuer gestalten.

Von Páphos aus, einem mitunter recht lauten Städtchen mit einem angenehmen Mikroklima, gehen die Touren u.a. auf Akámas. Der Wechsel von flachen, welligen Strecken und steigungsreichen Mittelgebirgsregionen macht Spaß, für Anspruchsvollere gibt es felsige Stufen und steile Abwärtsrampen auf Forstwegen in diesem Allround-Gelände. Und das Schönste daran, und das macht das Biken in dieser Region so different, so amusing: Von fast jedem Standpunkt aus sieht man das Meer.

Menschenleere Gegend

Der Blick auf Polis von der Hochebene: Einzig befremdlich und schauerlich in der fast menschenleeren Gegend sind verfallene Häuser. Sie sind 1974 verlassen worden, als der Norden der Insel von türkischen Truppen besetzt wurde - bis heute. Familien wurden getrennt in einer Gegend, wo griechische und türkische Bewohner, Christen und Muslime friedlich gemeinsam existiert hatten. Seit dem 22. April dieses Jahres ist die Grenze durchlässiger geworden, griechische und türkische Zyprioten dürfen in den jeweils anderen Inselteil.

Wohler als in verlassenen Dörfern fühlt man sich etwa im kleinen Örtchen Inia am Rande des Naturschutzgebietes. Der Name Inia kommt von Inos, Wein, aber bei der Sport-Rast genießt man eher die Mezzes-Platten (Vorspeisen), die in Summe schon ein ganzes Essen sind. Das ordinäre Tsatsiki schmeckt in der Zypern-Version als Talatouri ungemein besser, nämlich mit wenig Knoblauch, dafür umso mehr frischer Minze.

Für die Sommermonate bieten sich zum Radeln nur die höheren Gebirgsregionen des Landes an. Oder man lässt sich raufkutschieren und abwärts rollen. (Doris Krumpl, Der Standard/rondo/6/6/2003)