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Melkonyants, Aktivist und stellvertretender Geschäftsführer der Wahlbeobachtergruppe Golos, musste am Freitag vor Gericht aussagen.

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Wahlrechtsverstöße, die im Vorfeld der russischen Parlamentswahlen der Organisation Golos gemeldet wurden und hier abzurufen sind.

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Moskau - Zwei Tage vor der russischen Parlamentswahl diesen Sonntag hat die Zentrale Wahlkommission eine Strafe für die einzige unabhängige russische Wahlbeobachtergruppe gefordert. Die auch von der EU finanzierte Organisation Golos ("Stimme") habe eine illegale Kampagne gegen die Regierungspartei "Geeintes Russland" von Ministerpräsident Wladimir Putin initiiert. Das schrieb der Chef der Wahlkommission, Wladimir Tschurow, nach Angaben der Agentur Interfax in einem am Freitag veröffentlichten Brief an die Generalstaatsanwaltschaft. Golos "versucht, sich Machtbefugnisse zu sichern", hieß es weiter.

Es gebe einen "Rückfall in sowjetische Muster", sagte der Vize der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Andreas Schockenhoff, im Deutschlandradio Kultur. "Putin ist kein Demokrat", sagte er. Der Russlandbeauftragte der Bundesregierung kritisierte zudem das Vorgehen der Behörden gegen die Wahlbeobachter von Golos, die zahlreiche Wahlverstöße der Putin-Partei aufgedeckt hatten.

Wahlrechtsverstöße im Internet gemeldet

Die Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen gegen Golos wegen angeblicher Einmischung in den Wahlkampf eingeleitet und eine Strafe gegen Golos wegen Störung des Wahlkampfes verhängt. In einem Brief war die Rede davon, dass Golos "tendenziöse und unwahre" Information verbreiten würde. Putin hatte zuvor Wahlbeobachter pauschal mit "Judas" gleichgesetzt. Golos hatte in den vergangenen Wochen schwere Wahlrechtsverstöße von Geeintes Russland aufgedeckt und im Internet veröffentlicht. Über 4.500 Vorfälle wurden von Russen gemeldet und auf einer interaktiven Landkarte online sichtbar gemacht. Die meisten betrafen Putins Partei "Geeintes Russland". 

Golos-Chefin Lilija Schibanowa teilte am Samstag mit, dass russische Zollbeamte sie auf einem Moskauer Flughafen festgehalten und ihren Taschencomputer beschlagnahmt hätten. Golos-Chefin Schibanowa sei nach ihrer Rückkehr aus Warschau die ganze Nacht auf dem Flughafen Scheremetjewo festgehalten worden, berichtete der Radiosender Echo Moskwy. Die Beschlagnahme des Computers sei ungesetzlich, weil es sich nicht um Zollware handle, sagte Schibanowa. Nach ihren Angaben will der Zoll das Gerät auf mögliche Piratensoftware untersuchen. Demnach weigerte sie sich zunächst, den Computer herauszugeben und bestellte Techniker der Organisation Golos, die die Festplatte kopieren sollten.

Staatsnahe Medien verunglimpfen Golos

Der stellvertretende Geschäftsführer von Golos, Grigory Melkonyants spricht von "Zensur", die mittlerweile nicht nur von der Politik sondern auch vielen Medien ausgeübt wird. So attackierte die staatlich finanzierte Zeitung "Rossisskaya Gaza" die Organisation "Golos" in einem Artikel - dessen Titel: "Die Stimme des Geldes." Auch der vom Kreml kontrollierte TV-Sender NTV legte sich mit "Golos" an und lieferte sich bei einem Interview Schreiduelle mit dem stellvertretenden Geschäftsführer Melkoyants. Dieser nahm die Konfrontation mit seinem Mobiltelefon auf und stellte das Video anschließend online. Mittlerweile hat es 400.000 Aufrufe auf YouTube.

Golos das seit 2000 die Wahlen in Russland beobachtet, kündigte an, trotz aller Beschuldigungen die Wahlen am Sonntag überwachen zu wollen. Die Arbeit von Golos wurde in den letzten Jahren noch wichtiger, da sich andere Wahlbeobachter auf Druck der russischen Führung zurückgezogen hatten. (APA/red)