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Gesund oder krank? Der Übergang ist oft ein fließender.

Rein demographisch betrachtet braucht man sich um die österreichische Bevölkerung keine Sorgen zu machen. Frauen werden hierzulande derzeit im Schnitt 81,5 Jahre alt, Männer immerhin 75,5 und das obwohl ihr Gesundheitszustand bestürzend schlecht ist. Dass das ihre Überlebenschancen nicht minimiert, ist wohl dem medizinischen Fortschritt zu verdanken. 

Zu seiner traurigen gesundheitlichen Verfassung trägt der Österreicher selbst einiges bei. Er bewegt sich nur ungern, isst viel, trinkt gerne einen über den Durst und ist außerdem Weltmeister im Rauchen. Die Zahlen im Detail: 800.000 Menschen der österreichischen Bevölkerung bringen zu viel Gewicht auf die Waage, 80.000 dürfen sich gar als krankhaft übergewichtig bezeichnen. 700.000 Österreicher haben einen problematischen Umgang mit Alkohol, 350.000 sind alkoholkrank. Mit 36,3 Prozent Raucheranteil in der Bevölkerung hat Österreich im Guinness World Records 2008 den Platz eins in der Weltrangliste errungen.

Lifestyle macht krank

Diesem Lifestyle kann der Genussmensch zweifelsohne einiges abgewinnen, die Folgen schlagen sich jedoch gravierend in den epidemiologischen Daten nieder. Statistik Austria geht 2011 davon aus, dass bereits ein Drittel der Bevölkerung unter einer chronischen Erkrankung leidet. Bei rund zwei Millionen offenbart sich diese in Form einer rheumatischen Erkrankung, 400.000 haben Diabetes mellitus, 250.000 sind herzinsuffizient, jeder dritte Österreicher ist von der chronisch obstruktiven Lungenkrankheit betroffen. Ganze 170.000 Menschen plagt eine Gicht, 1,5 Millionen aller über 60-Jährigen sind gefäßkrank, 500.000 haben eine Fettstoffwechselstörung und sagenhafte zwei bis drei Millionen Österreicher leiden unter Bluthochdruck.

Auch die Gene sind schuld

Doch man kann den Österreicher nicht für alles verantwortlich machen. Oft sind auch die Gene schuld. 30.000 Erwachsene leiden unter einem angeborenen Herzfehler - nicht alle davon sind genetisch bedingt - , 450.000 leben mit einer seltenen Erkrankung, 80.000 laborieren an einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung und 12.500 sind an Multipler Sklerose erkrankt. Dazu kommen die geschlechtsspezifische Unterschiede: Circa 20 Prozent aller Frauen im gebärfähigen Alter leiden unter dem polyzystischen Ovarialsyndrom, 600.000 unter Osteoporose, jede achte Frau erkrankt im Laufe ihres Lebens an einem Mammakarzinom, 550 erkranken jedes Jahr an Gebärmutterhalskrebs. 

Auf männlicher Seite tut sich ähnlich viel: Jeder zweite Mann über 50 ist von einer Prostatavergrößerung betroffen, jeder achte erkrankt im Laufe seines Lebens an einem Prostatakarzinom. Glaubt man Schätzungen, dann leiden zwischen 600.000 und 800.000 Männer unter einer erektilen Dysfunktion.

Die Zahlen von oben nach unten betrachtet: Die Hälfte aller Österreicher leiden unter Kopfschmerzen, 800.000 davon sind Migränepatienten. Auf den Stroke-Units werden pro Jahr 33.000 Menschen mit einem Schlaganfall aufgenommen und bei 10.000 Menschen finden Internisten jährlich Knoten in der Schilddrüse.

Weiter unten im Gastrointestinal- und Urogenitaltrakt: Rund eine Million Österreicher leben mit einer Harninkontinenz. 50 Prozent der Bevölkerung leiden an Hämorrhoiden und/oder Analbeschwerden. Jeder dritte Österreicher hat Verdauungsprobleme, die sich in einer Verstopfung oder einem Reizdarmsyndrom manifestieren. 5.000 Österreicher erkranken jährlich an Darmkrebs.

Psychische Erkrankungen

Die Psyche kommt auch nicht zu kurz. 900.000 Menschen sind aufgrund seelischer Probleme in Behandlung, 450.000 davon leiden unter einer Depression, 200.00 unter einer Essstörung und 500.000 besitzen eine ausgeprägte Schlafstörung. Eine Million Österreicher ist zudem Burnout gefährdet. Zu guter Letzt kommen noch die Süchte, die als psychische Störungen mit Krankheitswert definiert sind. Über zwei Millionen suchtkranke Menschen gibt es hierzulande, allen voran die erwähnten 350.000 Alkoholiker. 120.000 Personen sind von Medikamenten abhängig, 27 Prozent der Gesamtbevölkerung sind kaufsuchtgefährdet, 47 Prozent rauchen und ganze 64.000 haben ein Spielsuchtproblem.

Glücklich darf sich also schätzen wer völlig gesund ist. Dabei stellt sich die Frage, wie ist der Begriff Gesundheit überhaupt definiert. Die WHO geht von einem Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens aus und nicht vom Fehlen von Krankheit oder Gebrechen. Oder wie es der Spiegel-Redakteur Stefan Berg in einem Interview mit dem derStandard.at treffend formulierte: "Es gibt keine Gesunden, sondern nur Leute, die noch nicht wissen, welche Krankheit sie bekommen". (derStandard.at, 27.12.2011)