Emil Noldes "Sonnenblumen im Abendlicht" wechselte jüngst für 1,46 Mio. Euro den Besitzer.

Foto: Villa Grisebach

Villa Grisebach Mitbegründer Bernd Schultz.

Foto: Grisebach / P.Pozniak

Villa Grisebach, das Haus: eine historistisch hochgetürmte Berliner Großbürger-Fantasie von 1892. Mehr eine Inspiration für Walt Disney als für malende Vatermörder, spezialisiert auf Ecce-Homo-Schauer, also Expressionisten. Doch vor allem diese und die Klassische Moderne bevölkern, seit 1986 kontinuierlich ansteigend und inzwischen führend innerhalb der deutschen Auktionsliga, das Gebäude-Innenleben.

Verbunden damit ist der Name Bernd Schultz. 1986 begründete er mit einigen Galerie-Partnern die Villa-Grisebach-Auktionen, wagte die "große Dimension". Er spürte, was bald schon Kunstboom hieß. Dabei hatte der 1941 geborene Bremer, entsprechend hanseatischer Manier und väterlicher Vorgabe, zuerst eine Bankkaufmannslehre absolviert. Ein bisschen Vatermörder also auch er, wenn der gerade Siebzigjährige anlässlich des 25-Jahr-Jubiläums des Auktionshauses auf seine 46 Jahre andauernde Laufbahn als Kunsthändler verweist.

Die Finanzierung des Kunstgeschichtestudiums war vom Kaufmannsvater verweigert worden, und darum jobbte Schultz in der Berliner Galerie Pels-Leusden. Im Jänner 1975 wird er Partner von Pels-Leusden. Einen Anstoß in die Auktionshaus-Dimension 1986 lieferte damals unter anderem die 1982 auch durch ihn angeregte Messe Orangerie des Berliner Kunsthandels im Schloss Charlottenburg. Schultz sah schon damals, noch vor dem Internet, dass der Kunstmarkt für den Kunstkäufer zunehmend transparent wird.

Das Geschäftsmodell des damals ohnehin marktferneren Berliner Galeristen, der Stuhl an Stuhl mit dem Sammler auf Auktionen einkaufte, wurde in den frühen 1980ern immer schwieriger: also Seitenwechsel Richtung Auktionshausgründung, Konzentration auf den offenen Markt.

Rekordumsatz zum Jubiläum

Und heute? Gerade wechselten Nolde-Sonnenblumen (1943) für 1,46 Millionen Euro in eine süddeutsche Sammlung. Der Spitzenwert innerhalb der viertägigen Jubiläumsauktion, bei der 1500 Werke für 28 Millionen Euro unter den Hammer kamen. Das neue 19. Jahrhundert-Segment unter Mit-Geschäftsführer Florian Illies startete erfolgreich. Mit 55 Millionen Euro erreichte man "den höchsten Umsatz in der Geschichte" des Hauses. Zum Auftakt 1986 waren es gerade mal vier Millionen DM, bestritten über Liebermann, Lesser Ury und Nolde aus dem Besitz einer bekannte jüdische Familie.

Dass dieser genuine jüdische Berliner Sammlerhumus nicht mehr existiert, weiß Schultz sehr wohl. Als Kunstmensch leistete er jedenfalls seinen Beitrag, dass Berlin nach 1989 den Inselstatus beenden konnte und zwischenzeitlich eine neue Berliner Sammlergeneration heranwächst. Er fördert und fordert, wo er kann: Ein Regierender hanseatischer Bürger, der sich international vernetzt und kritisch mitmischt. Er nörgelte über das Geschäftsgebaren des jüdischen Sammlers Heinz Berggruen, ereiferte sich über die Architektur des Potsdamer Platzes und die kulturpolitische Ignoranz Berlins gegenüber den Altmeister-Juwelen der Gemäldegalerie von Hilmer & Sattler.

Indes markieren Spitzenmeldungen die Firmengeschichte: 1988 etwa Weltrekordpreis für Adolph von Menzels Der Schafgraben (1,2 Mio. Euro), dann das überhaupt teuerste Kunstwerk auf einer deutschen Auktion 2005: Beckmanns 3,9 Millionen Euro teures Frauenbildnis Anni.

Schultz' Erkenntnis nach 25 Jahren: "Meine Einstellung zur Kunst ist demokratisiert worden. Allein zur Berliner Vorbesichtigung unserer Jubiläums-Auktion hatten wir an vier Tagen 5000 Besucher. Wir erschaffen alle halben Jahre quasi immer wieder ein Museum auf Zeit. Das schafft eine Galerie kaum." (Roland Gross, DER STANDARD/ALBUM - Printausgabe, 3./4. Dezember 2011)