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Sozialdemokraten-Chef Zoran Milanović führt das Oppositionsbündnis Kukuriku (=Kikeriki) an und ist Favorit für das Amt des Premiers.

Foto: Reuters/Solić

Regierungschefin Jadranka Kosor hat mit ihrem Erfolg gegen die Korruption ihre Niederlage besiegelt.

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"Nirgendwo auf der Welt sitzen so viele Spitzenpolitiker im Gefängnis", sagt anerkennend der Zagreber Politik-professor Žarko Puhovski, "außer vielleicht nach einem Staatsstreich." Die Kroaten haben tatsächlich geschafft, was etwa in Italien noch immer schwer vorstellbar ist: Ein ehemaliger Premierminister, ein Vize-Premier, vier Ex-Minister und um die 20 Politiker der zweiten Reihe müssen sich vor Gericht verantworten.

Erreicht hat das eine Frau, die zunächst alle für schwach hielten: Jadranka Kosor (58), als Nachfolgerin des angeklagten Ivo Sanader seit zwei Jahren Regierungschefin. Zur Belohnung wird Kosor am Sonntag wohl eine verheerende Wahlniederlage einfahren. Nicht dass ihr entschlossenes Vorgehen gegen die Korruption den Kroaten nicht gefiele, bloß: Es richtet sich gegen ihre eigene Partei. So stärkt Kosor mit jedem ihrer Siege gegen bestechliche Parteifreunde die Opposition.

Kosors Kroatische Demokratische Gemeinschaft (HDZ) bestimmt die Geschicke des Landes mit dreijähriger Unterbrechung schon seit 1990. Jetzt werden in Zagreb Wetten darauf abgeschlossen, ob die HDZ wenigstens ihr bisher magerstes Ergebnis von 2000 wieder erreicht. Nach dem Tode des Parteigründers Franjo Tudjman, der sein Land zuletzt immer mehr in die Isolation geführt hatte, kam die von ihm konzipierte Staatspartei gerade noch 46 der 151 Sitze im Sabor.

Schon sind erste Abgesänge auf den "Dinosaurier" HDZ zu hören. Den Wandel zu einer Richtungspartei hat die "Gemeinschaft" , die von links bis rechts alle Strömungen umfassen wollte und immer noch stolze 220.000 Mitglieder zählt, nicht geschafft. Selbst die nationale Rechte mag mit der HDZ nichts mehr zu schaffen haben, seit Sanader ihren Helden, den General Ante Gotovina, dem Haager Kriegsverbrechertribunal zugeführt hat. Für den Tag nach der Wahl stehen Kosors Rivalen schon in den Startlöchern, allen voran der weit rechts stehende Innen- und Polizeiminister Tomislav Karamarko.

Vage Oppositionslinie

Die Opposition hat alle Mühe, sich nicht vorzeitig als strahlende Siegerin zu präsentieren. Wo immer ihr Kandidat Zoran Milanović auftritt, wird er gefragt, wer welchen Ministerposten bekommt. Milanović (45) gibt sich einsilbig. Eine entschlossene, konsistente Oppositionsarbeit haben seine Sozialdemokraten nie betrieben. Sie hoffen, wie vor elf Jahren, wieder vom Selbstmord der Regierungspartei zu profitieren. Milanovićs SDP ist die mit Abstand stärkste Kraft in einer Listenverbindung, die sich Kukuriku-Bündnis nennt, nach dem Namen des Lokals in Istrien, wo es geschlossen wurde.

Der einstige Diplomat führt seine stark überalterte Partei mit einem kleinen, auf ihn eingeschworenen Mitarbeiterstab und gibt sich als Sozialdemokrat im Stil von Tony Blair und Gerhard Schröder. Mehr Glanz als von seiner Führung geht von dem kleinen Bündnispartner HNS aus. Die liberale "Volkspartei" stellt mit Radimir Èaèić und Vesna Pusić die populärsten Politiker des Landes. Der Unternehmer Èaèić, von 2000 bis 2003 schon einmal Minister, ist den Kroaten als effizienter Autobahnbauer in Erinnerung. Vesna Pusić, eine Intellektuelle aus angesehener Zagreber Familie, ist Kroatiens Miss Europa: Als Unterhändlerin der Beitrittsverhandlungen erntet vor allem sie den Ruhm für deren erfolgreichen Abschluss im letzten Sommer.

An den großen Korruptionsskandalen sind die Kukuriku-Parteien schon mangels Gelegenheit nicht beteiligt. Aber auch das Oppositionsbündnis hat seine Schatten. Die istrische Regionalpartei IDS, Partner Nummer drei, erstickt an ihrer Übermacht und hat im touristisch geprägten Westen des Landes ein barockes Regime mit vielen dunklen Ecken errichtet.

Partner vier vertritt die Interessen der Rentner, die in Kroatien fast ebenso zahlreich sind wie die aktiv Beschäftigten - eine Bremse im ohnehin kleinen Handlungsfeld der nächsten Regierung. Hoffnungsträger Èaèić schließlich muss sich einem Strafprozess in Ungarn stellen, nachdem er dort Anfang 2010 einen tödlichen Verkehrsunfall verursacht hat.

Verfehlt Kukuriku (=Kikeriki) die absolute Mehrheit, stehen zwei bereit: die serbische Minderheit und die neue "Labour-Partei" des Gewerkschafters und einstigen HNS-Politikers Dragutin Lesar, die mit ihrem Fokus auf die katastrophalen Arbeitsbedingungen in vielen Betrieben auf mindestens drei Sitze hoffen kann.

Viel Spielraum hat die neue Regierung nicht. Bis zum März muss sie den provisorischen Haushalt durch einen haltbaren ersetzen und erst einmal nachforschen, wo sich weitere Staatsschulden verbergen. Entscheiden darf sie dann, ob sie unter dem Druck der Verhältnisse den Internationalen Währungsfonds zu Hilfe ruft. (Norbert Mappes-Niediek/DER STANDARD, Printausgabe, 2.12.2011)